Im Herbst 1945 wich auch in der Pfalz die zunächst aufgekommene Freude über das Kriegsende einer allgemeinen Ernüchterung. Im Industrieplan des Kontrollrats wurde eine Demontage der deutschen Industrie auf 50 Prozent des Vorkriegsstandes beschlossen. Bedeutende Industrieanlagen wurden von den Alliierten demontiert und abtransportiert. Selbst die kargen Zuteilungen auf den Lebensmittelkarten gab es nicht immer. Auch Altrip bereitete sich auf den Winter vor.
In dieser Situation rief am 16. Oktober 1945 der Oberregierungsrat von Hessen-Pfalz, Otto Eichenlaub, die Landräte, Oberbürgermeister, Bürgermeister, Bischöfe und Pfarrer, das Rote Kreuz sowie die Banken und Gewerkschaften zur Unterstützung eines „Sozialen Hilfswerks” auf. Ziel war die Verhinderung einer Katastrophe im ersten Nachkriegswinter.
Auf Kreis- und Ortsebene wurden Ausschüsse gebildet. Sie organisierten die Sammlungen von Gebrauchsgegenständen aller Art, von der Gabel bis zum Kamm. Ebenso von Leib- und Bettwäsche, von Kleidung und für die Ausgebombten auch von Möbeln. Der Schwerpunkt der Haus-zu-Haus-Sammlungen lag aber auf haltbaren Lebensmittel- und vor allem auf Geldspenden. So waren allein in Altrip 213 Familien, die total oder schwer fliegergeschädigt waren, mit 582 Personen auf Hilfe angewiesen. Allein für 130 Kinder wurden Kleider sowie Schuhe benötigt. Außerdem warteten in der 3000-Seelen-Gemeinde mehr als 200 Familien in Ungewissheit auf die Heimkehr von Vater, Bruder und Sohn.
Während des Krieges war für den ausgefallenen „Ernährer im Felde” eine laufende Unterstützung gewährt worden, die nun die Wohlfahrtsverbände nicht mehr leisten konnten. Ein sechsköpfiger Ausschuss, darunter drei Frauen, nahm mit Josef Nordhofen an der Spitze die Arbeit auf. War das Regierungspräsidium zunächst noch optimistisch und schrieb den Kommunen lediglich ins Stammbuch, dass die Verteilung „unter dem Stern der christlichen Nächstenliebe stehen” solle, so zeigte sich schon bald, dass es einer überörtlichen Koordination bedurfte.
Die Geld- und Sachspenden waren daher an die Landratsämter abzuführen, die sodann für eine gerechte Verteilung sorgten. Für die erste Sammelaktion am 3. und 4. November 1945 wurde festgelegt, dass „unter keinen Umständen vor 10 Uhr gesammelt werden darf, um den Gottesdienstbesuch nicht zu gefährden”. Die Aktion war gut vorbereitet: Plakate hingen in allen Schaufenstern, in der Kirche wurde auf das Soziale Hilfswerk hingewiesen, und in den Kinovorstellungen ließ Altrips Bürgermeister Fridolin Braun Werbung treiben. Die Losung lautete: „Spende ein jeder, was er kann! Eure Liebe muss größer sein als die Not!” Die erste Sammlung brachte neben Kniestrümpfen, Bettlaken, einzelnen Besteckteilen und Geschirr auch 1000 Reichsmark ein.
An Nahrungsspenden gingen, was wohl nicht verwunderlich war, lediglich ein Kilo Bohnen und Erbsen ein. Die Idee des Bürgermeisters, einen festen monatlichen, „freiwillig-gezwungenen” Wohlfahrtsbeitrag zu erheben, stieß auf wenig Gegenliebe. Angedacht war, dass alle früheren Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen eine mindestens ihren bisherigen Beiträgen entsprechende Summe beisteuern sollten. Auch der Landrat betonte, dass er bei der nächsten Aktion für die Bedürftigen ein Ergebnis erwarte, das nicht hinter dem früherer Sammlungen für die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV)” zurückbleibt.
Tatsächlich gelang es, die Geldspenden nochmals zu steigern. Altrip fertigte aus Kostengründen keine der empfohlenen Transparente wie „Errichtet das Banner der Liebe über den Tränen der Heimat” an. Plakate hingen hingegen aus, zumal der Regierungspräsident 1946 drohte: „Plakate müssen in der befohlenen Anzahl angebracht werden. Bei einem eventuellen Misserfolg wegen nachgewiesen mangelhaften Plakatanschlags müsste ich die Landräte und Bürgermeister persönlich verantwortlich machen.”
Das Soziale Hilfswerk erwies sich in den fünf Jahren seines Bestehens als sehr segensreich. Schon ein halbes Jahr nach der Währungreform von 1948 waren landesweit über eine Million Deutsche Mark eingegangen, in den drei Jahren zuvor waren es 7,5 Millionen Reichsmark gewesen.
Neben dem Hilfswerk gab es Sammlungen für das Müttergenesungswerk, den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, die Arbeiterwohlfahrt, für die blinden Körperversehrten, den Blindenverband sowie aus aktuellem Anlass für die Opfer der Explosionsunglücke in der BASF sowie in Prüm. In Anlehnung an das Goethejahr 1949 wurden neue Plakate gedruckt: „Wer nicht im Augenblick hilft, scheint mir niemals zu helfen!” Als Anreiz wurde auch eine Sammelprämie von fünf Prozent ausgelobt, und die erfolgreichsten Landkreise und Einrichtungen erhielten Sonderprämien.