Der erste Automobilist - Tüftler und Bastler
Die ersten Automobilisten in Altrip waren nicht etwa die gutbetuchten Dampfziegeleibesitzer oder der erste Dorfarzt, sondern ein technikbesessener Tüftler. Und so kam es, dass der berufslose Friedrich Brunner (1889 bis 1975), der schon vor dem Ersten Weltkrieg ein Motorrad mit Keilriemenantrieb, vorn liegendem Auspuff und Karbidlampe besaß, sich zusammen mit einem Freund ein Automobil zulegte. Überliefert ist, dass der Schweizer Staatsangehörige, der sich in Altrip die Tochter aus einer neunköpfigen Maurerfamilie zur Frau nahm, bereits 1929 ein nur auf ihn zugelassenes Motorvehikel fuhr.
Friedrich Brunner, der mit seiner Frau Antonie sieben Kinder hatte, fuhr ab 1929 ein rotes Opel P 4-Coupé mit schwarzem Kotflügel. Das Vierzylinderfahrzeug mit seinen 16 PS hatte ein Dreiganggetriebe mit Rückwärtsgang, eine schwarze Lederpolsterung sowie ein Faltdach mit Rückfenster. Für ausreichenden Regenschutz sorgten zudem die seitlichen Celluloidfenster. Bereits seit 1924 produzierte Adam Opel das berühmt gewordene ''Laubfrosch''-Coupé.
Der jüngste Sohn von Friedrich Brunner, Walter, der in Emmenbrücke in der Schweiz wohnt, hat eine einfache Erklärung, warum die Altriper Elite nicht die ersten Autobesitzer im Dorf war: Zu Anfang der 20er Jahre hatten die Autos noch ihre ''Mucken''. Im Ort selbst war niemand, der Autos hätte reparieren können, von Ersatzteilen ganz zu schweigen. Die Fußbremse bestand aus Bremstrommeln mit einem Drahtseilzug. ''Bremsen einstellen'' bedeutete: Aufbocken, Seile anspannen, Bremspedal drücken und an den Rädern probieren, ob die Bremse wieder in Ordnung war. Da gab es Schmiernippel, die oft mit der Fettpresse versorgt werden mussten. Der Vergaser musste öfter geputzt und wieder eingestellt werden. Dann galt es die Unterbrecher auszuwechseln und die Zündung wieder neu einzustellen. Auch die Ventile waren häufiger zu justieren. Die Autobatterie musste mit destilliertem Wasser versorgt und nötigenfalls aufgeladen werden und natürlich waren die Lichtmaschine und der Anlasser ständig zu beobachten. Die Zylinderkopfdichtung konnte zudem plötzlich durchschlagen und musste ersetzt werden. Bei Plattfuß musste der Schlauch zu Hause geflickt werden. Störanfällig war vom Winker (Richtungsanzeiger) über den Keilriemen bis zu den Lampen so ziemlich alles. Auch ließ die Federung des Autos sehr zu wünschen übrig; vom Zustand der Straßen (ortsüblich: ''Moor- und Schlammbad Altrip'') gar nicht zu reden.
Friedrich Brunner, der vor dem Ersten Weltkrieg auch Fotos in Lebensgröße angefertigt haben soll und nach dem Krieg mit Genehmigung der Reichspost Radioapparate zusammen- bastelte, organisierte auch Funkübertragungen im Ort. Er dokumentierte die französische Besatzungszeit auf Fotoplatten und widmete sich ab 1939 gar schon der Farbfotografie. Die Herstellung der Farbfotografie war damals ein komplizierter Vorgang und nur wenige Bilder konnten als ''gelungen'' bezeichnet werden. (Die Leica aus dem Jahre 1939 befindet sich übrigens noch immer im Familienbesitz.) Der überaus fleißige Schweizer stieg schon bald zum Werkmeister in der Profilzieherei eines Neckarauer Industriebetriebes auf. Im Dorf verschaffte er sich durch Reparaturarbeiten an Elektrokleingeräten ein Zubrot.
Bis zum Zweiten Weltkrieg stieg die Zahl der Autobesitzer in Altrip auf rund 30 an. Viele der Fahrzeuge waren ''Marke Eigenbau''. Davon zeugt auch der Spruch: ''Zehn Kilo Blech und zwei Kilo Lack gibt dem Karl Benkert sein Cadillac.'' Das erste Luxusauto, ein Ford mit Speichenreifen, fuhr Karl Hört, der auch der erste ''Flieger'' von Altrip war. Er war der Vater des gleichnamigen ''Öl-Hörts'' und kam beim ersten tödlichen Autounfall auf Altriper Boden ums Leben. Tragischerweise geschah der Unfall in unmittelbarer Nähe seines Anwesens und ausgerechnet unter Beteiligung des ersten Altriper Automobilisten.