Durch Windstoß ist Skelett zu Staub zerfallen

Im Jahr 1581 wurde das Grab des Abts Regino gefunden, der um 840 in Altrip geboren worden war. Der Geschichtsschreiber, Kantonist und Musiktheoretiker hat im Jahr 906 die letzten Einträge in seiner Weltchronik vorgenommen und im selben Jahr ein „Sendhandbuch“ verfasst.

Der praktische Leitfaden war ein äußerst umfangreicher Fragenkatalog, der sich sowohl an die Kleriker als auch an die Laien richtet und auf bischöflichen Visitationsreisen gute Dienste leistete. In diesem Sendhandbuch war das gesamte damalige Kirchenrecht zusammengefasst und deshalb Richtschnur für die im 9. Jahrhundert entstandenen Sendgerichte.

Wegen des äußerst unmelodischen Kirchengesangs in der Trierer Diözese schuf er zudem den ersten Tonar des Mittelalters. Neben diesen drei Hauptwerken hat er 893 in seiner Eigenschaft als Abt der mächtigen Benediktinerabtei Prüm, das, für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte hochbedeutsame, Urbar zusammen getragen. Aus diesem Verzeichnis der Einkünfte und Güter der klösterlichen Grundherrschaft können neben den Altripern auch viele andere Gemeinden ihre damaligen Fronleistungen und wirtschaftlichen Verflechtungen erkennen.

Obwohl Regino so viel wie „Ratmann“, von ragin oder regin abgeleitet, also „Rat, Beschluss“ bedeutet, so steht die Wissenschaft noch heute ratlos vor seiner genauen Herkunft und Kindheit. Einigermaßen gesichert ist lediglich, dass er in Altrip von „nobililin parentibus“, von adeligen Eltern abstammte. Seine Eltern scheinen einer alten fränkischen Familie angehört zu haben, die vom Frankenkönig mit größeren Gütern belehnt worden war und dafür Gegendienste leisten musste.

Das Geburtsjahr sowie die Kinderjahre des Regino fielen gerade in jene Zeit, als die Söhne des Kaisers „Ludwig des Frommen“ mit ihrem Vater und unter sich die blutigsten Kämpfe führten. Regino hielt in seiner Weltchronik die Schlacht von Kaiser Lothar I. gegen seine Brüder bei Fontenay im Jahre 841 mit dem Eintrag fest, dass bei diesem Gemetzel „so viele Franken gefallen seien, die Kräfte und berühmte Tapferkeit so sehr geschwächt worden sei, dass sie für die darauffolgende Zeit nicht hinreichten, um die Grenzen des Reiches zu schützen...“

Es ist deshalb anzunehmen, dass wohl auch sein Vater, der zum Heerbann Ludwig des Deutschen gehörte, in dieser Schlacht gefallen ist. Gerade weil Regino seinen Vater nie erwähnte, ist anzunehmen, dass er ihn überhaupt nicht gekannt hat, ja sogar vielleicht erst nach seinem Tod zur Welt kam. Die Mutter hat den jungen Regino wohl schon frühzeitig ins Kloster Altrepio zur Erziehung übergeben, von wo er sicher alsbald nach Prüm gelangte, das zu jener Zeit eine berühmte Klosterschule besaß.

Fensterbild im Kloster Prüm, Abt Regino beim Schreiben. Fensterbild im Kloster Prüm, Abt Regino beim Schreiben. Dort wurde er auch Novize, Frater, Priester und schließlich Conventsmitglied und somit zur Abtswahl berechtigt. Nach der wiederholten Zerstörung der Prümer Abtei durch die Normannen, wurde Regino im Jahr 892 zum Abt gewählt.

Er selbst nannte sich bei seiner Abtswahl „indignus“, das heißt „unwürdig“, weil noch zu jung für dieses Amt, nachdem er damals erst etwa 50 Jahre alt war, während ein Abt in aller Regel ein höheres Alter hatte.

Als Regino nach seinem unfreiwilligen Weggang von Prüm das ebenfalls von den Normannen zerstörte Kloster St. Martin in Trier aufbauen half, zog er sich nach St. Maximin vor den Toren Triers zurück. Nach achtjähriger erfolgreicher schriftstellerischer Tätigkeit legte er dort im Jahre 915 für immer die Feder aus der Hand.

Bei Umbauarbeiten im Kloster fand man 1581 sein Grab. Ein „Mönchlein“, so wird berichtet, sah noch einmal beim Heben der Grabplatte die Gestalt des Regino. Doch dann zerfiel die Figur durch einen Windstoß.

Jedenfalls war er bei seinem Tod mit einem hohen Alter gesegnet, denn auf dem Grabstein war von „ossa fessa“, also von alten müden Gebeinen zu lesen. Die Inschrift lautete „Dieser Grabstein enthält Reginos müde Gebeine. Als ein trefflicher Abt, gottergeben zugleich, leitete er das Kloster in Prüm von freundlichen Sitten...“

Leider wurden die Abteibauten im Zweiten Weltkrieg zerstört und seither gilt der Grabstein als verschollen. Die ehemalige Kirche wurde nach 1979 zu einem profanen Mehrzweckbau umgestaltet und 1995 als Konzerthalle mit 1200 Plätzen eröffnet. Regino würde sich heute  allenfalls über die Akustik freuen.

(Wolfgang Schneider | 2006)
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