Valentinian I. und die Religionsfreiheit

Einst war es üblich, dass die Bevölkerung den Glauben des jeweiligen Landesherrn annehmen musste. („So wie der Herr, so das Land“). Es gab also nur „Religionsfreiheit“ für den Landesherrn, nicht aber für den Einzelnen. Und dennoch hatten wir auch aufgeklärte Landesfürsten. Von dem evangelischen Theologen Wilhelm Abraham Teller (1734-1804) wollte etwa ein römisch-katholischer Landesherr wissen, wie er mit anderen Konfessionen umgehen solle. Teller hat dies zum Anlass genommen, 1777 ein Büchlein über die 2zu schreiben. Diese Arbeit des Kirchenlieddichters, Aufklärers, Universitätsprofessors, Doktor der Theologie, Generalsuperintendent, Probst und Konsistorialrates Teller wurde auch ins Französische übersetzt. 1791 erschien hierzu gar eine zweite Auflage.

Medaillon mit Porträts von Valentinian I. und Valens (Deutsches Archäologisches Institut)Medaillon mit Porträts von Valentinian I. und Valens (Deutsches Archäologisches Institut)Der römische Kaiser Valentinian I. (321-375 n.Chr.), auf den sich Teller bezog, war Katholik, während seine 2. Frau, Justina, zeitlebens Arianerin*) war, die aber zu Lebzeiten ihres Mannes ihren Glauben nicht öffentlich auslebte, sondern erst nach dessen Tod ihren religiösen Einfluss auf ihren Stiefsohn Gratian und ihren Sohn Valentinian II. ausübte, die beide nacheinander römische Kaiser wurden.

Valentinian I. teilte sich übrigens in großer Einmütigkeit das Römische Reich mit seinem jüngeren Bruder Valens, den er zum Mitkaiser ernannt hatte. Valens erhielt das Oströmische Reich mit der Hauptstadt Konstantinopel und Valentinian I. das Weströmische Reich mit der Hauptstadt Rom. Valentinian I. residierte allerdings lieber in Mailand, Paris und Trier und nie in Rom. Viele Senatoren waren zudem Heiden. Der Kaiser mischte sich zwar in Religionsangelegenheiten nicht ein, verbot jedoch bestimmte nächtliche Riten und Opfer. Er sorgte für sonntägliche Ruhe, verbot verurteilte Christen als Gladiatoren kämpfen zu lassen und pochte auf eine religionsneutrale Lehrerausbildung. Sein Bruder Valens war hingegen ein Anhänger der Arianer*) und hatte insbesondere auch mit heidnischen Philosophen Zwistigkeiten.

Eigentlich waren die Römer in religiösen Angelegenheiten sehr tolerant. Sie akzeptierten fremde Religionen und deren Götter, wenn daneben auch die römischen Staatsgottheiten verehrt wurden, etwa der Sonnengott Sol. Die Christen aber duldeten jedoch keine fremden Götter und zogen sich bei allen offiziellen Gelegenheiten, bei denen römischen Göttern geopfert wurde, zurück.

Es ist aber ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die einst im Römischen Reich so sehr verfolgten Christen, nachdem 380 n.Chr. der Römisch-Katholische Glaube Staatsreligion wurde, Rom nicht nur gegen die althergebrachten heidnischen Kulte rigoros vorging und deren Tempel zerstörte, sondern noch mehr gegen Abweichler innerhalb des Katholizismus. Das Toleranzedikt von Valentinian I. hatte somit keinen Bestand mehr.

Insoweit trifft es zu, dass die Römer zwischen Tanger und Jerusalem nie mehr Religionsfreiheit hatten als unter Valentinian I., dem Gründer des spätrömischen Bollwerks ALTA RIPA, dem heutigen Altrip. Valentinian I. unterschrieb am 19. Juni 369 in ALTA RIPA ein Gesetz über die Wiederzulassung von Berufungsverhandlungen bei Gericht und da dies die erste urkundliche Erwähnung des heutigen Dorfes Altrip war, feiert der Ort 2019 sein 1650jähriges Bestehen.

Dem Kaiser wurde nachgesagt, er sei jähzornig, ja sogar grausam gewesen, etwa wenn man ihm widersprach. Dabei wird aber übersehen, dass bei einem Geschichtsbild stets die Gesamtpersönlichkeit zu würdigen ist. Karl der Große etwa, der von Franzosen und Deutschen gleichermaßen verehrt wird, ging z.B. bei der Christianisierung der Sachsen mit äußerster Brutalität vor und ließ Tausende hinschlachten. Kaiser Friedrich Barbarossa hat ihn dennoch mit Hilfe des Kölner Erzbischofs heiligsprechen lassen. Der damalige Gegenpapst war dafür und Papst Alexander III. dagegen. Im Grunde war dies eine politische Entscheidung, denn durch die Heiligsprechung von Kaiser Karl dem Großen wurde das Kaisertum allgemein enorm aufgewertet. Und die katholische Kurie focht die Heiligsprechung auch nie an.

Es gibt auch Kirchen, die seinen Namen tragen und auch die Evangelische Kirche (EKD) hat Karl den Großen in den „Evangelischen Namenskalender“ aufgenommen (28. Januar).

(W. Schneider | 2019)

*) Christliche Lehre des Arius ab dem 3. Jahrhundert n.Chr., die im Gegensatz zur Trinitätslehre der römisch-katholischen Kirche als Häresie (Ketzerei) angesehen wurde. Die Arianer sahen Jesus Christus als eine Kreatur unter Gott und nicht als Mensch (geworden) im üblichen Sinne.

 
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