Wie ein Lauffeuer breitete sich am 6. Oktober 1949 die Nachricht in Altrip aus: ''Der Graf ist tot!'' Der höchste angesehene Kommunalpolitiker Ludwig Hört III, der im Ort als ''der Graf von Altrip'' bezeichnet wurde, war mit 71 Jahren verstorben.
Sein Leben war indes alles andere als gräflich. Als er seine ''Annel'' freite, verdiente er sich seinen kärglichen Unterhalt noch als Briefträger, später wurde er Werksmeister bei der ''Rheinischen Gummi- und Celluloidfabrik'' in Neckarau. In Altrip hatte er zusätzlich eine Samenhandlung und stand dem Lager des ''Landwirtschaftlichen Konsumsvereins'' vor, weshalb er sich auch ''Händler'' oder gelegentlich ''Kaufmann'' nannte.
1909 betätigte er sich erstmals auch politisch. Die ''Bürgerpartei Altrip'', eine gemeinsame Liste der bismarcktreuen Nationalliberalen und der Sozialdemokraten, sorgte für Aufsehen. Die sich zuvor heftig bekämpfenden Partner gewannen alle Gemeinderatssitze und der 31-jährige Hört zog für die ''Nazzen'' in den Rat ein.
1914 wurden trotz des Kriegsausbruchs wieder Kommunalwahlen abgehalten - allerdings ohne jeglichen Wahlkampf. In der Persönlichkeitswahl gewann Hört wiederum ein Ratsmandat. Nach dem Krieg und der Abdankung des Kaisers wurde die alte Ordnung zerstört. Zerstört war nun auch die ursprüngliche Allianz der ungleichen Parteien innerhalb der Bürgerpartei. Für Jahrzehnte entstanden nun unversöhnliche Lager. Auf der einen Seite standen 1920 die Freien Wähler (Baumann-Partei), auf der anderen die Vereinigte Sozialdemokratische Partei, die mit den Unabhängigen Sozialisten eine gemeinsame Liste bildete, sowie die von Hört gegründete ''Freie Wahlpartei''.
Zweiter Bürgermeister
Hört errang auf Anhieb drei Sitze, die ''Baumänner'' sechs. Die zerstrittenen sozialistischen Parteien gingen in Altrip, wo die Uhren anders tickten, zusammen und erreichten elf Sitze. Hört wurde zweiter Bürgermeister, nach dem bei den gleichzeitig abgehaltenen Kreis- und Bezirkstagswahlen seine Anhänger ''links'' gewählt hatten.
Als leidenschaftlicher Gegner der Separatisten stand er im Dezember 1923 auf der Suchliste eines ''Rollkommandos''. Vor einer Verhaftung schützte ihn ein Altriper Schiffer, der ihn über den stark bewachten Rhein in Sicherheit brachte. Bei der Kommunalwahl 1924 errang Hört nicht nur mit Abstand das beste Einzelergebnis als Gemeinderat, sondern auch seine ''Freie Wahlpartei'' erhielt die Mehrheit. Bei dieser Wahl gab es erstmals die Möglichkeit einer Direktwahl zum Bürgermeister. Auch hier errang Hört unter vier Bewerbern die meisten Stimmen. Da jedoch kein Kandidat die absolute Mehrheit errang, wählte der Rat den Bürgermeister.
Adam Jacob, der mit einer eigenen ''Bürgervereinigung'' angetreten war, gelang es, die fünf SPD-Räte für sich zu gewinnen und Bürgermeister zu werden. Die Posten des zweiten und dritten Bürgermeisters erhielt die SPD. Die Freie Wahlpartei ging leer aus. Hätte es einen zweiten Wahlgang für das Amt des Bürgermeisters gegeben, so hätte Hört die größeren Chancen gehabt. Doch er ließ sich nicht entmutigen, er bestätigte sich sogar als Vorstand des evangelischen Kirchenchors.
Sprechzeiten im Rathaus
1929, als Carl Baumann der erste direkt gewählte Bürgermeister von Altrip wurde, trat er gegen diesen erst gar nicht an, wurde aber zweiter Bürgermeister, da seine Partei die zweitstärkste Fraktion stellte. Zu seinem Geschäftsbereich gehörte neben dem damals umfangreichen Fürsorgewesen, die Kriegsbeschädigten- und Erwerbslosenfürsorge, die Rheinfähre sowie die Stromversorgung durch das gemeindeeigene E-Werk und die Viehzucht.
Täglich, außer samstags, hielt Hört in den frühen Abendstunden Sprechzeiten im Rathaus ab, damit ihn insbesondere die Pendler der Fähre besuchen konnten. Bei der ''Befreiung'' des Rheinlandes und der Pfalz hielt Hört nach einem Fackelzug am 30. Juni 1930 zu mitternächtlicher Stunde eine viel beachtete Rede. Nach dem Siegeszug der NSDAP 1933 musste er seinen Bürgermeisterposten räumen, konnte sich aber lange darüber freuen, dass er in einem neu aufgelegten Altriper Adressbuch versehentlich weiter als Bürgermeister aufgeführt wurde.
In den Kriegsjahren musste er von Hand die Luftschutz-Sirene, die in der Nähe seiner Wohnung im Wasserturm installiert war, betätigen. Über 400 Mal gab es Fliegeralarm in Altrip, daneben unzählige Voralarme. Bei drei schweren Angriffen auf den Ort gab es viele Tote und Verletzte. All' das kam den Altripern am 6. Oktober 1949 wieder in Erinnerung. Den ''Graf'' mit dem roten ''Schnurres'' gab es nicht mehr.