Die Ankerkuilenfischer von Altrip (Aalfischer auf dem Rhein)

Ankerkuile (Aalschokker) mit hochgezogenem NetzAnkerkuile (Aalschokker) mit hochgezogenem NetzDie Bemühungen des Landes Rheinland-Pfalz, den Flussaal wieder anzusiedeln, tragen langsam Früchte. An der Mosel und am Oberrhein wurden Vorkehrungen getroffen, dass der abwandernde Aal vor den Staustufen nicht mehr so oft zerschreddert wird. Trotzdem ist der Aal in unseren Breiten weiterhin vom Aussterben bedroht. Um den Aal wieder ins Bewusstsein der Menschen zu bringen, wählt Bad Honnef seit 2003 jedes Jahr gar einen Aalkönig. Und Aalkönige waren bisher so Prominente wie Wolfgang element, Lothar Späth, Friedrich Merz oder Peer Steinbrück. Es ist noch gar nicht so lange her, dass selbst die Altriper Buben mit Ofenrohren und davor gesetzten Fallgittern im Altrhein dem Aal nachstellten und die Gaststätten in der Römerstraße den Fisch als Delikatesse auf ihrer Speisekarte hatten.

Bis zur Verwaltungsreform im Jahre 1969 war Altrip die einzige Landkreisgemeinde, die unmittelbar am Rhein lag. Lange Zeit galt Altrip als ein "armes Fischerdorf", das sich erst nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 zu einer Arbeitergemeinde mit einem bescheidenen Wohlstand entwickelte. Als das "Altriper Fischereizeitalter" längst schon vorbei war, gab es für ein paar Mutige mit dem Fang von Aalen mittels spezieller Schokker eine kleine Renaissance.

Ein Aalschokker oder auch Ankerkuile genannt, war ein aus Holland stammendes, nussschalenartiges Fischerei-Wasserfahrzeug, das insbesondere nachts den abwandernden geschlechtsreifen Aal befischte.

Die meisten Aalschokker hatten mittschiffs drei eingebaute Hälteranlagen (Kasten zum Aufbewahren der gefangenen Aale). Zumeist hatten die Ankerkuilen eine Länge von 14 bis 18 m und eine Breite von 4,50 bis 5,20 Meter. Auf dem Vorderdeck befanden sich zwei Spillen (Winden), eine für den Anker und eine für das Netz. Der Netzbalken wurde von Hand über Holzflaschenzüge und über die in rund zehn Metern Höhe angebrachten Rollen bedient. Die Netzbalken hielten in aller Regel nur drei bis vier Jahre. Das Netz hatte zumeist eine Länge von 30 Metern, eine Breite von elf bis zwölf Metern und eine Tiefe bis zu fünf bis sechs Metern. Das Netz wurde am Mast zum Trocknen hochgezogen, so dass der Aalschokker aus der Ferne wie ein Segelschiff aussah. Mit hochgezogen wurde auch das Schlussnetz, die Reuse, auch Wolf und Fuige genannt. Das Trocknen der zumeist aus Hanf oder Baumwolle bestehenden Netze war für die Haltbarkeit sehr wichtig. Trotzdem hielten die Netze nur zwei Fangperioden aus. Die Schonzeit für die Blankaale betrug nur 19 Tage (1. bis 19. April). Vom 20. April bis 24. Mai durfte allerdings nur mit einem Schutzkorb gefischt werden. Wurde auch am Tag gefischt, so musste der Schokker mindestens 20 Meter vom Ufer entfernt stehen. Da alle Schokker über keinerlei eigenen Motor- oder Segel antrieb verfügten, mussten sie an die von der Wasserstraßenverwaltung für gut befundene Stelle am Rhein mit Hilfe eines Motorbootes transportiert werden.

Am "Faulen Eck" und Horrenbau um 1925Am "Faulen Eck" und Horrenbau um 1925Nach dem Niedergang der Lachs- und Meerforellen- sowie der Maifischfischerei im 19. Jahrhundert, nicht zuletzt wegen der Rheinkorrektion nach den Plänen von Tulla, war es ein Segen, dass nach 1923 am Oberrhein die Aalschokkerfischerei zu einer wirtschaftlichen Blüte kam. Die Altriper verdienten einst mit der Rheinfischerei gutes Geld, und dabei brachte ihnen der Maifisch, ein so genannter "Arme-Leute-Fisch", viel Geld. Der Maifisch war übrigens ein Heringsfisch, der vom Meer in unsere Gegend wanderte.

Von 1926 bis 1940 hatte in Altrip Jakob Schneider XV. (Fischers Jakob) ein am Niederrhein gebautes Holzschiff mit Namen "Norbert". Der Schokker war rechtsfischend ausgelegt, und die Seilwinde war für Handbetrieb angeordnet. Der gewöhnliche Liegeplatz lag zumeist in der Nähe des "Weißen Häus'l" bei Rheingönheim, das Fanggebiet hingegen bei Rheinkilometer 411 an der Ausmündung des Otterstadter Altrheins. Von 1929 bis 1932 hatte auch der Landwirt und Fischer Matthäus Schneider V. die Erlaubnis als Ankerkuilenfischer. Allerdings hatte er in den ersten Jahren sein Rheinlos an Holländer verpachtet. 1933 verkaufte er seinen Aalschokker an den Mannheimer Berufsfischer Friedrich Boos. 1929 erhielt auch der Altriper Berufsfischer Jakob Hauck die Erlaubnis zur Ankerkuilenfischerei bei Rheinkilometer 411. Ob er allerdings selbst einen Schokker besaß oder nur sein Los an einen Holländer verpachtete, ist unbekannt. Die Schokkerfischerei erfuhr reichsweit bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges eine große Blüte. 1944 gab Georg Butz aus Rohrhof, der bei Neckarau oberhalb des Kraftwerks zwei Schokker stehen hatte, wegen der Treibminengefahr auf. Bis 1959 stand ein Schokker bei Rhein-km 410 (Theodor Überle, Mannheim), und Georg Herm aus Ketsch arbeitete bis 1962 als letzter Schokkerfischer (Rhein-km 405.7) in unserem Raum. Vor Kriegsende wurden unsinnigerweise die meisten Schokker durch die Wehrmacht versenkt, um den Alliierten Hilfsmittel zur Rheinüberquerung zu nehmen. In den 1950er Jahren stand unterhalb des Altriper Naturdenkmals" Ritzerbaum" (die im Besitz des Landes Rheinland-Pfalz befindliche "Retzer-Eiche") ein Schokker eines Leimersheimer Fischers. Der letzte Aalschokkerfischer, Alfred Hauns aus Wintersdorf/Rastatt, gab übrigens am 23. Dezember 1989 sein Gewerbe auf. Seinen Schokker hat die Stadt Rastatt aufgekauft und als Museumsschiff der Nachwelt erhalten.

Aalschokker, rechtsrheinisch in Höhe des 1921 erbauten GroßkraftwerkwerksAalschokker, rechtsrheinisch in Höhe des 1921 erbauten GroßkraftwerkwerksAalschokker unterhalb des Ritzerbaums 1950/60er Jahre (Richard Spindler und Tochter Ursula)Aalschokker unterhalb des Retzerbaums 1950/60er Jahre (Richard Spindler und Tochter Ursula)Zeichnung: Heinz Schneider, 2008Zeichnung: Heinz Schneider, 2008

 

(Wolfgang Schneider | 2008)
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