Geschehen zu Altrip im Jahre 1736:
Hanß Peter Schweikert holte den Sohn seines Bruders, den Hanß-Michel, am klapprigen Hoftor seines Hauses in der Unnergass ab. Schon lange hatte er dem Neffen versprochen, dass er ihn einmal zum Goldwaschen mitnehmen wolle.
Die Gelegenheit war insoweit günstig, als der alte Fischersmann von der holden Obrigkeit unlängst die Zusage erhalten hatte, dass er je abgelieferte Kron Rheingold 20 Kreuzer Wäscherlohn bekäme und obendrein für jedes Simmer Streusand eine Vergütung von 45 Kreuzer.
Nicht ohne Stolz erzählte der Onkel, dass bereits sein Vater unter Kurfürst Karl Ludwig Goldwäscher in Altrip war. Und freimütig bekannte er: „Obwohl noch kein Goldwäscher am Rhein wirklich reich geworden ist, so kribbelt es mir doch immer wieder in den Fingern und ich jage halt neben meiner Fischerei dem „verruchten Metall“ nach“. Sogleich fügte er hinzu: „Heut’ fahren wir stromab, zu meinem Lieblingsplatz, der großen Sandbank im Rhein“.
Hanß-Michel trug gleich zwei Schaufeln und den Wasserschopf, während der Onkel den Kübel und einen großen Sack mit allerlei Krimskrams schleppte. „Das wichtigste im Sack, ist ein großes Tuch aus haariger Wolle“ verkündete der Goldwäscher verheißungsvoll. Aus dem Dickicht des Rheinufers zogen sie einen langen Fischernachen hervor und verstauten darin ihre mitgebrachten Utensilien. Mit einigen stakenden Bewegungen bracht der Fischer den Nachen in etwas tieferes Wasser und sodann trieb sie die Strömung langsam ihrem Ziel zu.
„Oha, Hanß-Michel, jetzt müssen wir aber zur Seite, denn da kommt ein „Landfloß“ und ich schätze, dass es gut 1.000 Fuß lang (ca. 300 Meter) sein dürfte. Solch ein Holzfloß besteht aus sehr vielen „Gestören“, das sind Schwarzwaldtannen, die aus je zwei oder drei zusammengebundenen Stämmen zu diesen riesigen Ungetümen zusammengestellt werden. Die Flößer leben mit ihren Familien in Hütten auf dem Floß, denn die Fahrt geht bis Holland. Außerdem schätze ich, dass dieses Floß allein 30 Ruderer hat.“
Nach einer längeren Verzögerung konnten die beiden Altriper endlich ihre Fahrt fortsetzen. Vorbei an der Fähre, wo gerade der „Ferge“ (Fährmann) für zwei Kreuzer den alten Velde über den Rhein ruderte und der geschickter Weise ein Schwein auf den Armen trug, denn ein Schwein auf dem Nachenboden hätte nochmals zwei Kreuzer gekostet.
Hanß-Michel bedauerte derweil die Pferde, die gerade von ein paar wilden Schiffsreitern mit Leinen, das heißt mit starken Schiffstauen, ein Schiff auf dem Leinpfad stromauf zogen. Diese Schiffsreiter waren in der Tat regelrechte Pferdeschinder. Hatten sie einmal ein Pferd „arbeitsunfähig“ geschlagen oder das Pferd hatte sich ein Bein gebrochen, dann überließen sie es dort, wo es gerade war, seinem Schicksal.
Als Ersatz für ein Pferd fanden sich sodann meist vier bis fünf weitere Treidler. Für die schwere Arbeit bekamen die Treidler zwar einen kargen Lohn, dafür aber ein umso üppigeres Essen und sehr reichlich Alkohol. Zumeist verkehrten die rauhen Gesellen in der Altriper Karpfenwirtschaft, direkt am Rhein.
Endlich kam die linksrheinische Sandbank in Sicht. Onkel und Neffe holten unter einem großen Weidenbusch eine zwei Meter lange und ein Meter breite Waschbank hervor und suchten sich unter einem halben Dutzend Schubkarren die zwei besten aus. „Du weißt, Hanß-Michel, meine Erfahrung ist, dass die das Gold führenden Sandschichten selten dicker als 20 Zentimeter sind und sich gern am Rande von Inseln und flachen Ufern ablagern.“
Schnell war die schräggestellte Waschbank aufgestellt und mit dem Tuch aus haariger Wolle überzogen. Ein Sieb aus Weidenstecken mit einer etwa zwei Zentimeter großen Öffnung wurde am oberen Ende der Waschbank angebracht, damit die kleineren Kieselsteine und der Sand auf den Tisch durchfallen konnten. Dazu wurde der angekarrte Kies auf das Sieb geworfen und mit Wasser übergossen. Die großen Kiesel wurden sofort zur Seite geworfen und die mittleren rollten über den Tisch hinab. Der feine Sand aber und darin die Goldkörnchen oder Flitter blieben größtenteils im Wolltuch hängen.
Nach stundenlanger schweißtreibender Arbeit, bei der immer wieder Kies auf das Sieb geschaufelt und mit Wasser übergossen werden musste, zog der Goldwäscher das Tuch von der Waschbank und schwenkte es minutenlang im Wasserkübel, ehe er vorsichtig das Wasser auskippte.
Die Dämmerung war bereits angebrochen, als die beiden mit ihrem inhaltsschweren Sandkübel stromauf und damit heimatlichen Gefilden zu ruderten. In der Wohnung des Goldwäschers wurde der Sand in einem hölzernen schiffähnlichen Gefäß gereinigt.
„So, Hanß-Michel, jetzt kommt die spannendste Arbeit, denn ich setze nun dem Sand viermal so viel Quecksilber zu, wie ich mir an Gold erhoffe. Das ist natürlich alles Erfahrungssache. Eine ganze Tonne Sand bringt gewöhnlich nur 0,1 Gramm Gold!“
Der Goldwäscher verrieb die Mischung mit der Hand und verstaute den so behandelten Sand in einem zweiten „Schiff“ aus Pappelholz, hängte es an einer Schnur auf und vermengte das Ganze mit etwas Wasser. Hernach presste er das zu einer Kugel zusammengeballte Gemisch in ein Gemsleder.
„Für heute ist nun aber Schluss, Hanß-Michel, die Goldflitter können wir auch noch Morgen im Destillat bergen, aber wir haben ja auch reichlich Magneteisensand mitgebracht, der als „Streusand“ in die Streusandbüchsen der Mannheimer Schreibstuben wandert und sich auch als Silbersand gut als Putzmittel eignet. Auch ein Beutel feiner Streusand kann nun auf die Lehmfußböden gestreut werden, damit es in der Stube wieder sauber und wohnlich aussieht.“
Den beiden schmerzten allerdings nun alle Glieder und nach einem deftigen Abendbrot legten sie sich alsbald zur Ruhe und sie schliefen den Schlaf der Gerechten. Ob sie wohl auch noch vom Rheingold träumten?