Im Jahr 1944 lebten die Menschen im Großraum Mannheim-Ludwigshafen in ständiger Angst vor dem zunehmenden Bombenhagel alliierter Luftverbände, im damaligen Sprachgebrauch auch „Terrorangriffe” genannt. Luftalarm gab es nahezu täglich, manchmal auch mehrmals am Tag. Bis zur Entwarnung konnten oft Stunden vergehen und so lange saßen viele Menschen zitternd oder stumm in Bunker und behelfsmäßig umgebauten Luftschutzkellern. Zu diesem Szenario gesellten sich in der Rheinniederung noch eine weitere Gefahr: Hochwasser.
Am 27. November 1944 stieg der Rheinpegel bei Altrip auf 8,48 Meter und somit auf den höchsten Stand seit der Katastrophe von 1882/83. Der Rheinhauptdeich, der die Altriper Halbinsel schützen sollte, war zu jener Zeit auch noch einen halben Meter niedriger als heute. Schon die Tage vor dem Hochwasser gab es laufend Fliegeralarm, darunter auch in der Dunkelheit. Die Angst vor einem „Volltreffer” auf einen Deich war in jenen Tagen größer als die Angst vor Stabbrandbomben, Luftminen und dergleichen. Am Tag des höchsten Wasserstandes gab es zur Mittagsstunde Fliegeralarm und um 19.45 Uhr, also bei Dunkelheit, heulten die Sirenen nochmals auf und erst eine Stunde später kam Entwarnung.
Auf den Deichen von über sechs Kilometer Länge waren nur wenige alte Männer als Deichwachen unterwegs. Ausgestattet waren sie mit Fackeln, Spaten und Holzkarren voll Stallmist. Im Bedarfsfall hätten sie allenfalls mit dem Mist kleine Sickerstellen stopfen können. Bei Luftalarm mussten sie zudem noch ihre Fackeln löschen. Wer konnte, schaffte Ende November 1944 seine Habseligkeiten in das Obergeschoss seines Hauses. Eigentlich durfte auch auf dem Dachboden nichts gelagert werden, außer Löschsand. Außerdem waren bereits viele Häuser ausgebombt und die Dächer abgedeckt. Es war also eine Entscheidung zwischen Feuer und Wasser.
Das Druckwasser stand schon ziemlich hoch auf der Ober- und Unterplatte sowie auf den Wiesen und Äckern der heutigen Wohngebiete „Blechlache”, „Blashorst” und „Hintendroben”, sogar bis an die Eingangsstufen der alten Wirtschaft „Zur Krone” in der ehemaligen Schlossgasse. Da Altrip kein Hochgestade besitzt, auf das sich die Menschen bei einem Deichbruch hätten retten können, wären bei der mit absoluter Sicherheit eingetretenen Totalüberschwemmung viele Menschenleben zu beklagen gewesen.
Anderntags heulten wiederum die Sirenen in den Nachthimmel. Nun verließen immer mehr Menschen das ungastlich gewordene Dorf, um in weniger luftgefährdeten Gebieten Unterschlupf zu suchen. Am 11. Dezember 1944 fielen wiederum Bomben auf unser Dorf und die Gemarkung. Doch zunächst ging noch einmal alles gut. Trotz fünfstündigem Fliegeralarm selbst an Heiligabend sowie weiterem Sirenengeheul an beiden Weihnachtsfeiertagen fügten sich die Menschen in ihr Schicksal. Wo hätten sie auch hingehen sollen, so man sie hätte ziehen lassen? Die Fähre war zudem außer Betrieb.
Doch der eigentliche Schreckenstag stand den Altripern noch bevor: Am 30. Dezember 1944 fand der schwerste Luftangriff statt. 24 Menschen verloren sofort ihr Leben, 39 weitere wurden verletzt in Krankenhäuser eingewiesen, von denen binnen weniger Tage weitere verstarben. Allein an diesem einen Tag gab es 454 Gebäudeschäden und damit wies nahezu zwei Drittel des Dorfes Fliegerschäden auf. Rund 200 Familien mussten umquartiert werden.
Und wieder ging die Angst vor Hochwasser und „Terrorangriffen” um. Ende Januar 1945 gab es Schneemassen wie lange nicht, sodass trotz des Arbeitskräftemangels die Ziegelei Baumann verpflichtet wurde, mit ausländischen Zivilarbeitern, Kriegsgefangenen und sogenannten Ostarbeiterinnen die sich in den Straßen türmenden Schneeberge abzutransportieren.
Die Dämme hatten einige Bomben abbekommen. Hilfe von außen kam nicht und aus Angst vor einem neuerlichen Hochwasser wurden die letzten Ortskräfte, alte Landwirte mit ihren zweirädrigen Wagen, verpflichtet, mit spärlichem Material und den Kriegsgefangenen die Löcher im Deich zu stopfen. Und wieder ging alles gut. Die geflickten Dämme hielten auch beim Hochwasser an Silvester 1947.