Pleiten, Pech und Pannen: Die Kerwe im Jahr 1929 ging in die Altriper Ortsgeschichte ein. Und das nicht wegen des herrlichen Sommerwetters. Während eines Feuerwerks begann der Dachstuhl des Wasserturms zu brennen, zwei Tage später brach die Reitschule zusammen.
Zur Altriper Kerwe warben damals gleich vier Gasthäuser mit „öffentlicher Tanzmusik” in ihren Sälen. Die Wirte engagierten gut besetzte Orchester und überboten sich gegenseitig mit kulinarischen Angeboten. Und gleich acht Gaststätten buhlten in den Nachbargemeinden um die Gunst des Publikums mit wiederholten Anzeigen in Tageszeitungen und Lokalnachrichtenblättern.
Statt am dritten Wochenende im September fand die Kerwe 1929 bereits am ersten Wochenende des Monats statt. Als Grund führten die Gemeindeväter an, dass es wegen zeitgleich stattfindender Großveranstaltungen in der Umgebung, vor allem aber wegen des Dürkheimer Wurstmarkts, nahezu unmöglich sei, leistungsfähige „Kerwebeschicker” zu finden. Zumal nicht jeder Schausteller bereit war, die beschwerliche Straße nach Altrip zu befahren. Von Waldsee aus gab es ohnehin nur einen nicht befahrbaren Verbindungsweg. Und über die Fähre trauten sich die Schausteller mit ihren schweren Wagen nicht, zumal zu jener Zeit noch ein Pferdevorspann notwendig war, um die Wagen von der Fähre die Böschung hinaufzuziehen. Die Altriper wollten auch partout eine zweigeschossige Pferdereitschule, die ohnehin nicht so leicht zu bekommen war. Das bayerische Bezirksamt hatte dafür Verständnis und genehmigte die vorgezogene Kerwe.
Für Kerwesamstag, den letzten Augusttag 1929, war eine bengalische Beleuchtung des zwei Jahre zuvor errichteten Wasserturms geplant. Schon lange vor Einbruch der Dunkelheit standen Einheimische und viele Besucher, insbesondere aus Neckarau, Rheingönheim und Mundenheim, dicht gedrängt in der Nähe des neuen Altriper Wahrzeichens. Es war eine herrliche Sommernacht, als blaue, rote und grüne Raketen den Himmel über Altrip erhellten. Die Fenster des Wasserturms waren abwechselnd rot und grün beleuchtet. Nach einer gelungenen Premiere im Vorjahr war fast ganz Altrip auf den Beinen, um das Spektakel zum Kerweauftakt zu erleben.
Dann gab es plötzlich einen Feueralarm. Zunächst wusste niemand, wo das Feuer war. Doch schon bald zeigte sich, dass der Dachstuhl des Wasserturms brannte. Und prompt rückten die Männer der Altriper Feuerwehr an. In mehr als 35 Metern Höhe qualmte und züngelte es. Die Zaungäste starrten ständig nach oben, auch wenn sie eine regelrechte Genickstarre bekamen. So sehr sich die Altriper Feuerwehr auch anstrengte, sie kam mit den Wasserfontänen einfach nicht bis zum Brandherd. Auch ein Versuch, mit einer „Eimerkette” Wasser herbeizuschaffen und die vielen Stufen im Turm hoch zu schleppen, scheiterte.
Schließlich musste die Ludwigshafener Feuerwehr alarmiert werden, die mit einer Motorspritze anrückte und nach eineinhalb Stunden „Feuer aus!” melden konnte. Eigentlich hätten die Altriper Florianjünger wissen müssen, dass der Hydrantendruck für eine Brandbekämpfung über dem Wasserspiegel des Wasserturms nicht ausreicht und sie sofort die Wehr in Ludwigshafen verständigen müssen. Doch glücklicherweise ist kein allzu großer Schaden entstanden, denn die Turmglocken hingen noch fest im Glockenstuhl.
Jedenfalls sorgte das Vorgehen der Altriper Wehr geraume Zeit für hämische Stammtischgespräche. Am Kerwemontag gab es weiteres Ungemach, denn die Pferdereitschul” brach wegen zu vieler „Trittbrettfahrer” zusammen. Ein Besucher aus Mannheim trug deshalb gar Verletzungen davon. Trotzdem war die Kerwe 1929 auf Jahre hinaus das letzte unbeschwert gefeierte Dorffest, denn knapp zwei Monate später veränderte der Zusammenbruch der Börse in New York die Welt, und Altrip wurde im Gefolge von der zweithöchsten Arbeitslosenquote in ganz Bayern betroffen.