Das Extremhochwasser im Januar 1926 hat den Wirtschaftswissenschaftler, Hochwasserexperten und späteren Oberregierungspräsidenten Hessen-Pfalz, Otto Eichenlaub, an den Rhein gelockt. Sein Ziel: die einzige Rheinanliegergemeinde des Landkreises – Altrip. Dort schritt der gebürtige Pfälzer nicht nur die Hochwasserfront ab, sondern plauderte lange mit einem der letzten Berufsfischer des Dorfes. Hochwasser und Jakob Knauber faszinierten Eichenlaub so, dass er immer wieder kam.
Otto Eichenlaub saß lange im Haus von Jakob Knauber, um von ihm von den Hochwasserereignissen zu Weihnachten 1919 zu erfahren. Damals war die einzige Straße nach Altrip auf einer Strecke von eineinhalb Kilometern überschwemmt, und der gesamte Waren- und Personenverkehr verlief über die Krone des Rheindeiches. Otto Eichenlaub hatte 1921 seine Doktorarbeit mit dem Thema „Hochwasserschäden am bayerisch-pfälzischen Rhein und die volkswirtschaftliche Bedeutung der Entwässerung seiner Niederung“ eingereicht.
Nach allem, was er sah und hörte, bedauerte er lebhaft, dass er seine Dissertation über die Situation am Oberrhein nur bis unterhalb von Germersheim ausgearbeitet hatte. Er sprach mit einem 60-jährigen Fischer, der noch in seinem Beruf arbeitete, obwohl er schon das damalige Durchschnittsalter überschritten hatte. Er war Vater von zehn Kindern, von denen schon fünf verstorben waren. Eichenlaub war von Knauber so angetan, dass er einen Zeichenblock aus seiner Aktentasche zog und ihn porträtierte. Ein Zeichentalent hatte dem späteren Politiker niemand zugetraut. Und: Dieses Bild sollte tatsächlich einmal in einer Zeitung landen.
Nachdem Eichenlaub 1921 promoviert worden war, trat er eine Stelle im Personal- und Handelswirtschaftlichen Büro der Badischen Anilin- und Sodafabrik, später I.G. Farben, an. Später arbeitete er als wissenschaftlicher Referent bei der Industrie- und Handelskammer Ludwigshafen. Doch in der Zeit des Dritten Reichs wurde Eichenlaub zum Journalisten. Er schrieb bis 1939 und zu seiner Entlassung wegen regimegegnerischer Gesinnung für den Generalanzeiger.
Als Redakteur des Blatts machte er sich 1936 zusammen mit einem Mannheimer Fotografen von Rheingönheim aus zu Fuß auf den Weg nach Altrip. In einem schwärmerischen Zeitungsbeitrag ließ er für die Leser danach nicht nur die Geschichte der Rheingemeinde aufleben, sondern er beschrieb auch sehr genau die damalige Gemarkung und den Ort.
Und was kam auch in den Druck? Eichenlaubs Zeichnung des Fischers, die er zehn Jahre zuvor angefertigt hatte. Der Journalist veröffentlichte sie ebenfalls im Generalanzeiger. In seiner Hommage an Altrip schrieb er: „Unsere Gedanken stehen still und kehren dann wieder zurück, umkreisen nochmals die Jahrhunderte, die wir soeben durcheilt, durchschritten. Singend verlassen wir das Dorf.“ Und: „Noch lange klingt es uns in den Ohren, träumen wir von Altrip, seiner Geschichte, seiner romantischen Lage zwischen Auwäldern und Altrheinen, seinen wettergebräunten Fischern, Arbeitern und Bauern.“
Und Eichenlaub zog es wieder nach Altrip und zu Jakob Knauber. Bereits im Januar 1938 erschien er ohne Ankündigung wiederum bei dem alten Fischer und brachte ihm die gerahmte Zeichnung seines Konterfeis. Leider ist das Bild, das lange Zeit im Anwesen Römerstraße 8 hing, mittlerweile verloren gegangen.
1939 war Eichenlaub wegen seiner regimekritischen Gesinnung beim Generalanzeiger nicht mehr erwünscht und wurde entlassen. Später gehörte er dem Stab von Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben an und wurde so in den Attentatsversuch gegen Hitler vom 20. Juli 1944 verwickelt. Im Oktober 1945 wurde der Pfälzer durch die französische Besatzungsmacht als Oberregierungspräsident von Hessen-Pfalz eingesetzt, gehörte als CDU-Mitglied der Beratenden Landesversammlung an und wirkte bei den Vorbereitungen zur Wiedereröffnung der Gutenberg-Universität Mainz mit. Angesichts seiner Verdienste wurde ihm die Ehrenbürgerwürde verliehen.
Eichenlaubs letzter Besuch in Altrip war wohl im Januar 1948. Ob der Grund hierfür die Wiederinbetriebnahme der im Krieg versenkten Gierfähre war, oder ob er einfach mal wieder den alten Fischer besuchen wollte, ist nicht überliefert. Sicher ist, dass Eichenlaub Jakob Knauber nicht mehr antraf, der war schon 1940 verstorben. Eichenlaub kehrte aber noch im „Himmelreich“ ein. Dort erfuhr er von den Todesängsten der Altriper während Hochwasserepisoden im Zweiten Weltkrieg. Jederzeit konnten damals die Deiche einen Bombentreffer abbekommen und das Dorf unter Wasser setzen.
Doch Eichenlaub plagten nun selbst Zukunftsängste. Nach der Schaffung des Landes Rheinland-Pfalz war er politisch nicht mehr gefragt. Die Franzosen setzen ihn zunächst als Verwalter der Rheinischen Kreditbank in ihrer Zone und später bei der Süddeutschen Bank, Filiale Ludwigshafen, ein. Dort wurde er allerdings 1952 entlassen. Gegen das Land Rheinland-Pfalz musste er sich erst eine Pension erstreiten, was ihm letztlich auch gelang. Doch schon bald darauf verstarb er 1954 im Alter von 56 Jahren.