Die Altriper Kerwe, die immer am dritten Wochenende im September stattfindet, war auch im Jahr 1957 für die Bevölkerung ein Höhepunkt im dörflichen Leben. Schon geraume Zeit zuvor wurde auf das Fest hin gespart, an auswärtige Freunde und Verwandte wurden Einladungen ausgesprochen. Gefeiert wurde hauptsächlich in den Gaststätten, auf dem Rummelplatz mit Kettenschlenker, Schießbude, Eis-, Los- und Gutselstand.
Die Gaststätte „Zur Turnhalle“ bot gar an allen drei Festtagen in ihrer neuen Turnhalle „Tanz bis in die Puppen“. Die Traditionsgaststätten wie „Karpfen“, „Himmelreich“, „Schwanen“, „Rheintal“ und „Krone“ boten Vorzügliches aus Küche und Keller und montags natürlich „Schweinepfeffer mit Knödel“. Überall gab es niveauvolle Unterhaltungsmusik. Für die vielen „Überrheiner“ verkehrte an allen Festtagen sogar die alte Gierfähre die ganze Nacht hindurch.
Und eben diese Fähre, die nur noch Teer und Rost zusammenhielt, sorgte für einen echt spannenden Kerwesonntagabend. Am 15. September 1957 wurde nämlich zum 3. Deutschen Bundestag gewählt. Und diese Wahl fiel schon allein deshalb in Altrip aus dem Rahmen, weil die hier stark vertretenen Kommunisten aufgrund des Parteienverbots ihre Partei nicht mehr wählen konnten, erstmals Briefwahl möglich war und die lokalen Fährprobleme vom CDU-Bundestagskandidaten aufgegriffen wurden.
Der CDU-Wahlkampfleiter für den Wahlkreis Ludwigshafen-Frankenthal, Helmut Kohl, hatte kurz vor der Wahl den gerade in Mannheim weilenden Bundesaußenminister Heinrich von Brentano zur Unterstützung von Gerhard Fritz nach Ludwigshafen in das Hotel Hubertus eingeladen. Von Brentano beklagte mit „Schön ist das ja nicht!“ die von ihm beobachteten Verkehrsverhältnisse auf der Rheinbrücke Mannheim-Ludwigshafen und stand Fritz mit dessen Forderung nach einer Südbrücke bei Altrip bei.
Im Altriper „Himmelreich“ stellte Helmut Kohl den Kandidaten in einer relativ gut besuchten Versammlung vor. Mit seiner nachdrücklichen Forderung nach einer Brücke bei Altrip versuchte Gerhard Fritz zu punkten. Zu jener Zeit befürworteten alle Fraktionen im Gemeinderat eine Brücke und ebenso der allergrößte Teil der Bevölkerung.
Drei Jahre zuvor hatte Bürgermeister Philipp Hermann Hook in einer Denkschrift mit Alternativen zu dem nicht mehr verkehrssicheren Fährbetrieb eine heute als nahezu abenteuerlich anmutende Forderung aufgestellt. Er schlug zunächst eine einspurige Rheinbrücke vor, wobei aus Kostengründen erwogen werden sollte, die im Zuge der Verbreiterung der Stadtbrücke Ludwigshafen-Mannheim frei werdende Eisenbahnbrücke nach Altrip zu „verlegen“.
Über 86 Prozent der wahlberechtigten Altriper gingen jedenfalls am Kerwesonntag 1957 zur Wahlurne. Nur 91 Wähler nutzten die neue Briefwahlmöglichkeit und mit der Bedeutung der Erst- und Zweitstimmengabe, so der Erfahrungsbericht der Gemeinde, auch Probleme. Wie dem auch sei: Die SPD „sahnte“ mit 1370 über 60 Prozent der Zweitstimmen ab, während die CDU nur 536 und die FDP 231 Stimmen erhielt.
Wie es in Sachen Brücke weiterging? Der Bundesverkehrsminister Christoph Seebohm unterstützte letztlich die Nordbrücke, dann auch noch eine Autobahnbrücke bei Otterstadt. Da aber die öffentlichen Kassen noch relativ gut gefüllt waren, keimte bei den Altripern immer wieder die Hoffnung auf „ihre“ Brücke auf. Doch die Amtszeiten der Brückenbefürworter, von Bürgermeister Philipp Hermann Hook, Emil Lebherz und Michael Marx gingen „brückenlos“ vorüber. Geblieben waren ein Fährdefizit und eine vage Hoffnung.
Dabei wurde 1966 in der Nähe der Fähre schon mit einem Wasserbohrer 80 Meter vom Ufer entfernt für den einzigen Wasserpfeiler der Brücke der Boden bis zu 60 Meter unterhalb der Flusssohle geprüft – ebenso die Bodenbeschaffenheit an den Ufern mittels Landbohrer. Doch Geldmangel und andere Prioritäten verzögerten immer wieder einen Baubeginn.
1979 kam dann ein erster großer „Umschwung“. Der Ludwigshafener SPD-Bundestagsabgeordnete Hans Bardens trat offen gegen die Rheinquerung ein, die Bürgerinitiative „Rettet den Grünen Süden“ plädierte für eine kleinere Brücke oder alternativ für eine bessere Fährverbindung. Dem schloss sich die Junge Union von Ludwigshafen-Stadt an und die FDP ging gar mit ihrem Kreisvorsitzenden Harald Glahn in die „Luft“, um sich die Gesamtsituation von oben zu besehen. Glahn forderte eine Kurskorrektur in der Verkehrs- und Brückenplanung, zumal schon ein Gutachten von Professor Grebe aus dem Jahr 1977 eine Brücke bei Altrip infrage stellte.
Im Oktober 1984 sprachen sich zwei Drittel der Altriper gegen eine Brücke aus. Daraufhin fasste der Gemeinderat einen einstimmigen Beschluss, alles zu tun, um die Brücke zu verhindern. Doch bis die seit 1967 planfestgestellte Trassenführung aufgehoben wurde, dauerte es noch bis 2004.
Aufgrund unterschiedlicher Auffassungen in der Region, der hohen ökologischen Risiken im von der EU ausgewiesenen Flora-Fauna-Habitat-Gebiet und der hohen Kosten, ist eine Wiederaufnahme in den Verkehrswegeplan bisher unterblieben. Sicher ist nur eines: Zu Zeiten der Römer gab es in Alta Ripa, dem heutigen Altrip, schon einmal eine Rheinbrücke.