Im Jahr 1929 bot sich am Rhein bei Altrip letztmals das Bild des zugefrorenen Stroms. Am 14. Februar 1929 wurde aus den Treibeisschollen eine feste Eisbarriere. Scholle für Scholle schob sich übereinander und der Rhein kam zum Stehen. Bis zum 4. März dauerte das Schauspiel und die Altriper konnten per pedes apostulorum – zu gut deutsch, mit trockenem Schuh – über den gefesselten Vater Rhein nach Neckarau am jenseitigen Ufer marschieren.
Im 19. Jahrhundert war der Rhein in hiesiger Gegend noch gut 25-mal zugefroren, 1841 gar zweimal. Mit dem Eisabgang folgten verheerende Hochwasserzeiten. Der Rhein war auch nach der Tulla'schen Rheinbegradigung, bei der der Altriper Durchstich (1865-1874) der letzte war, noch siebenmal fest zugefroren. Das Ereignis von 1929 hätte es aber eigentlich überhaupt nicht mehr geben dürfen.
Nach Expertenmeinung sollte der Rhein nach der Tieferlegung der Fahrrinne und den Uferbefestigungen (Rektifikation nach Honsell) nicht mehr zufrieren, da die Wassermassen schneller abfließen würden. Auch der Wellenschlag des verstärkten Schiffsverkehrs sollte der Eisbildung entgegenwirken. Diese Theorie wurde allerdings vor 75 Jahren widerlegt. Doch das gesamte vorige Jahrhundert blieb dieses Ereignis in unserem Raum eine Ausnahme. Nicht so allerdings am Mittelrhein, etwa an der Engstelle bei Oberwesel.
Eiskalt wurde es auch 1954: Der Brikett- und Kohlebedarf der privaten Haushalte war bei weitem nicht gedeckt und am 27. Januar zeigte das Thermometer bereits neun Grad unter Null. Russische Kaltluft strömte weiterhin ein und anderntags zeigte sich erstmals seit 1947 wieder Treibeis auf dem Rhein. Kleinere Boote hatten bereits Schwierigkeiten, voranzukommen und die Altriper Fährmänner, die das Fährschiff von der Gemeinde gepachtet hatten, blickten sorgenvoll auf die Wellenköpfe, auf denen sich schnell kleine Eiskronen bildeten. Wie glitzernde Rosetten sahen die dünnen Eisschollen aus. Doch die Meteorologen waren zuversichtlich. Und in der Tat: Am 30. Januar war der Rhein wieder eisfrei.
Doch die Natur narrte den Menschen. Mit 17 Grad unter null am 31. Januar zeichnete sich ein frostiges Wochenende ab. Die Ereignisse überschlugen sich. Tags danach musste die Fähre ihren Betrieb einstellen. Altriper „Kutt-Arbeiter” (Firma Giulini) berichteten, dass im Bereich der Rehbachmündung ein holländisches Schiff von den Eismassen regelrecht hochgedrückt worden sei und man zwei Tage benötigt habe, um den Kahn wieder flottzubekommen.
Am 1. Februar stellte die Fähre ihren Betrieb ein und fand, zusammen mit der Kollerfähre, Schutz im Rheinauer Hafen. Binnen einer Woche lagen 330 Schiffe, vom neuesten Schweizerschiff bis zur hundertjährigen „Großherzogin von Baden”, im Mannheimer Hafen. Die Eisschollen waren nun schon quadratmetergroß, rieben sich aneinander und schoben sich teilweise auch übereinander. Bevölkert waren die schwimmenden Inseln von Aberhunderten von Möwen. Wer Kohlen hatte, verzog sich hinter den Ofen. Die Männer starrten zumeist gebannt auf das Thermometer und die Hausfrauen sorgenvoll auf die geschrumpften Kohlevorräte. Mit dem Handwägelchen wurde zentnerweise der Hausbrand bei geschafft.
Nachts wurden vielfach heiße Backsteine zigfach mit Zeitungen eingewickelt, ehe es in die „Buntkarrieren” ging. Eisbrecher, sogenannte Bereisungsboote, zerschnitten insbesondere vor den Hafeneinfahrten das Eis. Da alles Stein und Bein gefroren war, „heizte” General Winter dem damaligen Winterschlussverkauf so richtig ein. Gefragt waren vor allem Fäustlinge, Schildkappen mit Ohrenklappen und gar wieder Muffs.
Rund 1200 Altriper wurden per Bus im Pendelverkehr zur Straßenbahn in Rheingönheim gefahren. Am 15. Februar war bei uns die Gefahr endgültig gebannt und die letzten Schiffe lösten in den Schutzhäfen ihre Taue. Übrigens: 1963 führte der Rhein hier nochmals Eisbrocken mit sich, doch die „Rheindiamanten” waren nur kurz zu bewundern.