Verwirrungen um eine Göttin

Die Stammesgöttin des gesamten Speyergaus und seiner ersten germanischen Bewohner seit Anfang unserer Zeitrechnung war die keltische Göttin Nemetona. Ihr zu Ehren nannten sich die Bewohner zwischen Pfalz, Nordvogesen und Teilen von Baden „Nemeter” und ihre Hauptstadt „Colonia Nemetum” war das heutige Speyer. Doch erst 1835 fand sich in einem Altriper Garten eine Votivplatte der Göttin.

Auf der Tonsandsteinplatte, die 82 Zentimeter hoch, 1,36 Meter breit und 27 Zentimeter dick ist, steht zu lesen: „Dem Mars und der Nemetona haben die Silvinier Justus und Dubikatus in Erfüllung ihres Gelübdes das Denkmal gern und freudig errichtet.”

Der Stein wurde in einer Tiefe von 1,50 Metern gefunden, gemeinsam mit vielen anderen römischen Fragmenten, Skulptur- und Inschriftsteinen aus einer römischen Grundmauer. Als der Historische Verein der Pfalz sieben Jahre später sieben der Steine, darunter den wertvollen Stein mit der Nemetona-Inschrift erwerben wollte, war der nicht mehr vorhanden. der war bereits verkauft worden und dem Mannheimer Altertumsverein übergeben worden. Die Speyerer hätten gerne den Stein aus ihrer Frühgeschichte besessen. Sie mussten sich aber mit einem Gipsabdruck begnügen, den die Mannheimer zur Verfügung stellten.

Ein Votivstein, der schon 80 Jahre zuvor im englischen Bath gefunden worden war, beweist, dass Nemetona auch schon früher und weit über die Grenzen der Nemeter hinaus als Göttin verehrt wurde. Errichtet hat ihn vermutlich ein Soldat, der wohl bei den Römern Dienst tat.

Eine dritte Votivplatte der Göttin Nemetona wurde 1884 in einem Weinberg in Klein-Winternheim gefunden. Dies ist das frühere Gebiet der Vangionen. Vermutlich hat Aulus Didius Callus Fabricius Vejento, ein römischer Günstling von Kaiser Domitian, der germanischen Nemetona die Tafel gewidmet und damit ein Gelübde erfüllt.

Die Römer nahmen oft die Götter von Völkern, die sie unterworfen hatten, in ihren Olymp auf oder deuteten sie römisch um. So war etwa Herkules früher Donar oder aus Tyr wurde Mars. Nemetona wurde bisweilen mit der römischen Minerva gleichgesetzt.

Die Nemeter, die von Christi Geburt bis um das Jahr 400 ein Mischvolk aus Kelten, Germanen und Romanen waren, spielten auch eine große Rolle bei Kontakten mit den Slawen. Dies kann man aus Bezeichnungen wie Nemeth, Nemet und Nemec für Deutsche erkennen.

Der königliche Regierungssekretär Karl Lacher in Speyer, der am klassischen Altertum interessiert war, schuf mit einer Abänderung des Textes der Altriper Votivtafelstifter eine neue Platte. Er ließ eine abgeänderte Nemetona-Inschrift wohl als Reaktion auf die Klagen der Speyerer Altertumsfreunde wegen des Verlustes des Altriper Steins im Jahr 1841 in seine Gartenmauer einbauen. Diese wurde 1848 von „einigen Herren der Regierung” als echte Nemetona-Platte erklärt und dies auch entsprechend publiziert. Zwar wurde dies später widerrufen, doch trotzdem wurde die falsche Nemetona-Inschrift um 1870 aufgrund einer persönlichen Intervention des damaligen Regierungspräsidenten Paul von Braun in das Speyerer Museum gebracht. Doch alsbald klärte Professor Harster, der Jahre später auch die Ausgrabungen nach dem Altriper Kastell leitete, diesen Irrtum erneut auf.

Wie weit Karl Lacher mit seinem Klassizismus-Fimmel ging, zeigen die Namen seiner Kinder. Seine Tochter nannte er Hortensia Melita Cenobia Adelheide, seinen ersten Sohn Antinous Karl Abeillard und seinen zweiten Sohn Hanibal Napoleon Heliodorus.

(Wolfgang Schneider | Januar 2007)
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