Gefahr für den Rheindamm

Nachrichtenblatt der Gemeinde Altrip | Donnerstag, den 24. Juni 1965 | 6 Jahrgang - Nummer 25 


Damm-”Grundbruch” hätte Überschwemmung für 1500 Hektar bedeuten können

ZEHN STUNDEN AKUTE GEFAHR FÜR DEN RHEINDAMM

Druckwasser riß Loch in Böschung am Schöpfwerk - Feinsand ließ Hohlräume unter Straße befürchten 

Eine gefährliche Lage für den Hochwasserdamm zwischen Ludwigshafen und Altrip hat der hohe Rheinwasserstand gestern heraufbeschworen: Druckwasser hat sich vom Kiefweiher aus einen Weg durch den Grund des Dammes, der die Straße nach Altrip trägt, gebahnt, ist am Entwässerungsschöpfwerk auf der anderen Dammseite in den Altrhein-Ausläufer ausgetreten und hat dabei ein bedrohliches Loch in die seitliche Böschung gerissen. Das Besondere und Gefährliche an diesem Druckwasserdurchbruch liegt vor allem darin, daß er Feinsand mitgeführt hat - klares Druckwasser, wie es in weiten Teilen der Rheinniederung steht, wäre ungefährlich. So aber war die Entstehung von Hohlräumen im Dammgrund - also ein “Grundbruch" zu befürchten. Außerdem gefährdet der Feinsand die Pumpen und damit die Funktion des Schöpfwerkes zur Regulierung des Wasserstandes von Altrhein, Rehbach und Ranschbach: ein nicht mehr abzuleitender Rückstau würde in dem Einzugsbereich von 1.500 Hektar der angrenzenden Gemarkungen vor allem Neuhofens und Limburgerhofs zu Überschwemmungen führen.

Schöpfwerk- Wärter Wenzel Fischer entdeckte gestern früh den Schaden, der zunächst für Laien ganz harmlos ausgesehen hätte. Unmittelbar an der dem Neuhofer Altrhein zu legenen Betonflügelmauer des Schöpfwerkeinlaufs sickerte Wasser durch, zunächst noch durch ein relativ kleines Loch. Der Pumpenwärter alarmierte zunächst den Altriper Bürgermeister Emil Lebherz. Er ist als Vorsitzender des ‘‘Zweckverbandes zur Entwässerung der Rheinniederung”, der das Schöpfwerk betreibt, zuständig, wenn auch die kritische Stelle selbst auf Ludwigshafener Gemarkung liegt. Bürgermeister Lebherz war um sieben Uhr an Ort und Stelle. Von Altrip aus ging die Alarmmeldung sofort an das Wasserwirtschaftsamt Neustadt als zuständige Fachbehörde, von dort weiter an das Landratsamt Ludwigshafen als Aufsichtsbehörde des Zweckverbandes. Landrat Dr. Scherer alarmierte wiederum Kreisbrandinspekteur Burkhardt und damit - infolge der “Personalunion” - die städtische Berufsfeuerwehr, die sich umgehend mit den zuständigen städtischen Dienststellen in Verbindung setzte.

Vor allem ging es um schnelle Maßnahmen und um schnelle Beschaffung von Sandsäcken, um die Durchbruchstelle abzudichten. Denn wenige Stunden später fanden Landrat Dr. Scherer und Regierungsassessor Ziegler und vom Wasserwirtschaftsamt Baurat Kauffmann, Baurat Hillenbrand und Amtmann Lühdorf (Außenstelle Speyer) statt eines kleinen Loches schon einen bedrohlich großen Durchbruch.

Das Wasserwirtschaftsamt hatte zunächst einige hundert leere Sandsäcke von Frankenthal herbeibeordert, die an Ort und Stelle gefüllt wurden und sozusagen die “Erste Hilfe" darstellten. Bürgermeister Lebherz hatte ein Übriges getan und seinen Germersheimer Amtskollegen angerufen: er wußte, daß man in Germersheim eine große Zahl gefüllter Sandsäcke von der Bundeswehr “griffbereit“ hat, und bat um einige hundert. So traf wenig später eine Gruppe der Bundeswehr mit rund 500 gefüllten Sandsäcken ein. Die Ludwigshafener Berufsfeuerwehr brachte dann als nächstes 1.200 Sandsäcke aus städtischen Beständen, und die Stadt ließ in ihrem Lager an der Krumlach nochmals 2.000 Sandsäcke füllen, die im weiteren Verlauf des Tages zum Schöpfwerk gebracht wurden.

Arbeitskräfte und Fahrzeuge stellte - neben den Bundeswehrsoldaten, die kaum eine Verschnaufpause nach einem ähnlichen Einsatz in Germersheim gehabt hatten - die Feuerwehr Altrip und die Gemeinde Altrip. Und da alle an Ort und Stelle benötigten Kräfte vom frühen Morgen bis zum späten Abend kaum Aussicht auf “Mittagspause" hatten, hatte Altrips Bürgermeister auch für Getränke und Verpflegung gesorgt.

Früher "geschafft“ als erwartet.

Bis zum Abend dauerte es allerdings nicht. Schneller als zunächst erwartet, nämlich bereits gegen 17.00 Uhr, konnten uns Baurat Hillenbrand vom Wasserwirtschaftsamt und Amtmann Lühdorf (Leiter der seit Jahresanfang neueingerichteten Außenstelle Speyer und speziell für Deich- und Hochwasserfragen zuständig) sichtlich erleichtert mitteilen: “Die Gefahr ist gebannt." Bis dahin war nicht nur das Durchbruchsloch in der einen, sondern auch die gesamte andere Böschung am Pumpwerk-Einlauf mit Sandsäcken abgedichtet. Denn auch aus der anderen Böschung hatte es mittags schon deutlich “gerieselt“.

Rhein bei sieben Meter

Daß beide Böschungen abgedichtet werden mußten, ergab sich aus dem Weg, den das Wasser allem Anschein nach von der Rheinseite des Dammes her genommen hatte. Nach Auffassung der Fachleute ist das Druckwasser an den Auslaufrohren vom Pumpwerk her entlang gesickert. Platz dazu hat es, weil die Rohre durch die Pumpenarbeit vibrieren und den umgebenden Boden lockern. Bis zu sechs Meter Rheinpegelstand wirkt sich das nicht aus. Aber der gegenwärtige Wasserstand - gestern früh 7.02, mittags noch 6,99 Meter - macht den Druck stark genug, um das Wasser die Rohre entlang und weiter um das Pumpenhaus Fundament herumzutreiben. Das erklärte auch die Austrittsstellen unmittelbar an den Flügelmauern des Einlaufkanals.

Pumpen laufen später

Der hohe Rheinwasserstand erfordert nunmehr auch, die Schöpfwerkpumpen nicht schon - wie üblich - bei einem Stand von 3,25 m (am Schöpfwerkpegel) einzuschalten und sie einen maximalen Stand von 3,65 m halten zu lassen, sondern erst später einzuschalten, um den Druckunterschied zwischen Rhein- und Pumpwerkspiegel nicht zu groß werden zu lassen. Gestern nachmittag bei Abschluß der Notabdichtung stand der Pumpwerkspiegel auf 3,65 m - und die Pumpen, die ohnehin schon den ganzen Tag stillgestanden hatten, wurden noch nicht eingeschaltet. Wie man später, wenn der Rhein wieder normale Wasserstände aufweist, die Schäden im Dammgrund endgültig behebt, darüber müssen sich die Experten noch klarwerden.

Aus "Generalanzeiger" vom 16. Juni 1965/ Nr. 137.

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