Ein R(h)einfall für die alten Römer

Wie Kaiser Valentinian 369 versuchte, über den Fluss ins Barbarenland vorzudringen

Seit über 40 Jahren wird politisch immer wieder über eine Rheinquerung bei Altrip gestritten. Anfangs waren die allermeisten Altriper für eine Brücke, während heute eine Mehrheit der Bürger und der Gemeinderat dagegen ist. Vielfach unbekannt ist, dass aber schon die Römer im Jahre 369 bei Altrip eine Brücke schufen – und zwar erstmals wieder nach über 100 Jahren. Nachdem der römische Kaiser Valentinian I. im Sommer jenen Jahres höchstpersönlich die Pläne für den Ausbau des Kastells „Alta Ripa”, der damaligen Neckarmündung gegenüber, entworfen hatte, begab er sich für mehrere Monate vor Ort. Ziel war die Beaufsichtigung des Kastellbaus und sicher auch die Vorbereitung eines Feldzuges ins feindliche Alemannengebiet.

Schon die Römer hatten ihre liebe Mühe mit der Rheinquerung bei Altrip.Als pioniertechnische Glanzleistung gelang es dem Kaiser mithilfe vieler Wasserbaumeister und noch mehr soldatischen Helfern, den Neckarlauf abzuleiten, dessen Wasser sein Kastell zu unterspülen drohte. Und dies gar während eines Hochwassers.

Die Zerstörung der Römerfestung besorgte später allerding der Rhein. Vom Hochgestade wurde ein etwa 400 Meter breiter Landstrich von den Rheinfluten abgetragen. Geblieben ist aber der Name: Alta Ripa, hohes Ufer – obwohl der heutige Ort Altrip ausschließlich im Niederungsgebiet liegt.

Insgeheim setzte in eben jenem Jahr 369 eine Abteilung bei Nacht über den Strom. Und am folgenden Tag wurde trotz des Sommerhochwassers eine Schiffsbrücke geschlagen. Vom Rand der beiden Ufer fügten die Römer Wasserfahrzeug an Wasserfahrzeug zu einem gangbaren Weg und legten darauf einen festen Boden an. Um das Kunstbauwerk fertig zu stellen, bedurfte es dank eines eigens dafür gebauten Krans nur der Arbeit eines einzigen Tages.

Obwohl der Rhein die Grenze darstellte, die Valentinian vom Bodensee bis nach Calais mit höheren Kastellmauern und neuen Grenzbefestigungen sicherte, schuf er im Winkel zwischen Rhein und Neckar, also jenseits der Grenze, eine hochgemauerte sichere Feste, das „Munimentum Valentiniani”. Die Alemannen, die von diesem Unternehmen im Schlaf überrascht wurden, verschonte der Kaiser. Er schloss gar einen Frieden mit ihnen und erhielt als Unterpfand die Söhne der Alemannenfürsten als Geiseln.

Trotz des Friedensabkommens wollte Valentinian auf dem Berg mons Piri in aller Heimlichkeit ein Kastell anlegen. Dem Befehlshaber dieses Unternehmens, Arator, gesellte der Kaiser seinen Geheimschreiber Syagrius bei, der später einmal von dem glorreichen Tun berichten sollte. Während noch die Soldaten mit dem Ausheben von Gräben und dem Einebnen des Bodens beschäftigt waren, erschienen alemannische Fürsten. Sie baten flehentlich den römischen Befehlshaber die Arbeiten einzustellen. Abgewiesen zogen die Fürsten traurig ab, den bevorstehenden Tod ihrer Söhne in Geiselhaft beklagend. Auf einen Wink hin stürzte sich von einem benachbarten Hügel aber eine alemannische Schar auf die Römer und metzelte alle nieder – bis auf den Geheimschreiber. Syagrius wurde nach seinem Bericht über das Blutbad vom erzürnten Kaiser entlassen.

Als mons Piri wurde in der einschlägigen Literatur zumeist der Heiligenberg bei Heidelberg angenommen, was jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass sich gerade dort in einem großen Ringwall eine altgermanische Opferstätte befand, eher als unwahrscheinlich gelten muss. Demgegenüber hat Professor Heinrich Maurer im Jahre 1910 als wahrscheinlichen Standort den Königsstuhl mit dem Schloßberg angenommen. Das Heidelberger Schloss liegt tatsächlich auf dem Berg (in monte Piri). Unmittelbar daneben erhebt sich der Kleine Geisberg mit der heutigen Molkenkur, wo wohl die Alemannenschar im Hinterhalt lag.

Eine direkte Verbindung zur Überfahrtsstelle bei Altrip war übrigens noch im Mittelalter bekannt. Alles spricht dafür, dass das missglückte Unternehmen der Römer das Terrain für das spätere Heidelberger Schloss bereitete. Die Römer versuchten danach nie mehr ein Kommandounternehmen ins Innere des Barbarenlandes. (wlf)

(Quelle: DIE RHEINPFALZ - Ludwigshafener Rundschau - 2. Februar 2001 | Text: Wolfgang Schneider | Karikatur: Uwe Herrmann)
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