Als die Hechte unter dem Eis verendeten

Anfang 1963 herrschte ein Winter wie schon seit 1890 nicht mehr. Sibirische Kälte hatte im Januar und Februar ganz Europa in ihrem eisigen Griff. Die Altriper Sportangler kämpften verzweifelt darum, dass ihre Fische unter dem dicken Eispanzer überlebten. Immerhin: Nur wenig später konnten sie den Neuhofener Altrhein als Vereinsgewässer pachten. Doch schon bald drohte ihnen neuer Ärger.

Alle Welt sprach von „General Winter“, der nun herrschte. Bis unter die Minus-20-Grad-Marke sank das Thermometer. Im Bereich der Loreley war der Rhein zugefroren. Nachdem drei Eisbrecher vergeblich versuchten, eine Fahrrinne freizulegen, musste das Eis gesprengt werden. Auch bei Altrip rieben sich knisternd die Eisschollen auf dem Rhein aneinander.

Eisschollen auf dem Rhein bei Altrip.Eisschollen auf dem Rhein bei Altrip.

Geschlossene Eisdecke auf der „Klamm".Geschlossene Eisdecke auf der „Klamm".

Sämtliche Baggerseen und Altrheinarme rund um die Gemeinde waren ohnehin schon zugefroren. Jung und Alt konnten sich gefahrlos auf den ortsnahen Gewässern des Altrheins und der „Klamm“ beim Schlittschuhlaufen tummeln. Doch das Vergnügen hatte noch eine andere Seite. Die Eisschicht auf der größten Wasserfläche der Gemeinde, dem Neuhofener Altrhein, war auf eine Dicke von 50 Zentimetern angewachsen – und die Fische drohten an Sauerstoffmangel zu ersticken.

Tag und Nacht schlugen die Altriper Sportangler Löcher in den Eispanzer, um ein massenhaftes Fischsterben zu verhindern. Dabei bekamen sie Hilfe von einer Bundeswehreinheit. Doch allen Anstrengungen zum Trotz: Nachdem die Eisdecke weggetaut war, wurden 180 Zentner tote Fische aus dem Altrhein gezogen. Die Petrijünger nutzten Geländesenken und zogen auch Gräben, um darin die silbrige Masse zu beseitigen.

Mit Chorkalk überdeckt und verscharrt wurden nun auch kapitale Karpfen und Hechte, die schon viele Jahre lang der Angelrute entkommen waren. Ein Jammer für jeden Fischer! Aber ohne den unermüdlichen Einsatz der vielen Helfer wäre das alles noch viel schlimmer geworden.

Doch schon bald gab es für die Altriper Sportangler wieder gute Nachrichten. 18 Jahre lang hatten sie darum gekämpft, dass ihnen die Gemeinde den Altrhein als Vereinsgewässer zur Verfügung stellt. Doch die hatte ihn lieber an den letzten, schon seit 1866 bestehenden Fischereibetrieb im Ort verpachtet. Die Angler konnten dort nur in beschränktem Umfang ihrem Hobby nachgehen.

Nun allerdings ging die Ära des „Witwenbetriebs Hartmann“ zu Ende. Am 1. März 1963 war es soweit: Der Sportanglerverein erhielt einen 50 Jahre währenden Pachtvertrag. Von nun an sorgten seine Mitglieder alljährlich für einen ansehnlichen Fischbesatz, um den durch den Frost dezimierten Bestand wieder aufzupäppeln und Inzucht im Binnengewässer zu verhindern.

Doch bald drohte ihnen neues Ungemach: Das Ochsenfeld auf Neuhofener Gemarkung wurde von der Firma Kief ausgebeutet. So entstand eine neue Wasserfläche. Und die erhielt einen direkten Zugang zum Vereinsgewässer der Altriper Sportangler.

Schon bald kamen sie sich mit den Neuhofener Sportanglern in die Quere. Gestritten wurde über Wege- und Parkrechte, über vermeintliche und tatsächliche Grenzverläufe. Es entwickelte sich ein jahrelanger „Ochsenfeldkrieg“, in den die Bürgermeister beider Gemeinden, die Gemeinderäte, Altrips Erster Beigeordneter und die Kreisverwaltung eingriffen. Auch verschiedene Ortsbesichtigungen fanden statt, um die Streitfragen zu klären.

Das in Neuhofen erscheinende „Echo“, der „Generalanzeiger“ und die "Rheinpfalz" berichteten ausführlich über diese Posse, doch am Ende vertrugen sich die Angler beidseits der Gemarkungsgrenze, und es entwickelte sich gar eine Freundschaft.

(W. Schneider | 2013)
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