Viel Wissen und ein großer Fehler

Intellektueller, Historiker und Zeitkritiker: Der Kaufmann Hermann Provo (1845-1918) hat im Jahr 1910 die erste Altriper Ortschronik herausgebracht. Dabei war ihm ein Fehler unterlaufen, der lange nachwirkte: Er ging davon aus, dass Altrip schon im Jahr 10 vor Christus gegründet worden sei. Damit lag er knapp 400 Jahre daneben.

Steht heute in der Abstellkammer: Der Feldherr Drusus war doch nicht der Gründer Altrips. Steht heute in der Abstellkammer: Der Feldherr Drusus war doch nicht der Gründer Altrips. Eine lebensgroße Kopfplastik eines römischen Feldherrn zierte lange das Altriper Bürgermeisterzimmer. Sie zeigte Drusus, der Altrip im Jahr 10 vor Christus gegründet hatte. Das jedenfalls schrieb ihm Hermann Provo zu, der die erste Ortschronik im damaligen Bezirksamt Ludwigshafen herausbrachte: „Altrip - eine kulturhistorische Studie" hieß das im Selbstverlag erschienene Werk.

Als Sohn eines selbstständigen Ziegelmachers hatte es Provo zu einer profunden universitären Bildung, zu Wohlstand und Ansehen gebracht. Die Altriper verdanken ihm viele Informationen über frühere Zeiten. So hat er anschaulich die Tracht der Altriper Fischer und Frauen beschrieben. Und damit ist es letztlich ihm zu verdanken, dass es heute in Altrip eine Trachtengruppe gibt, die für ihre Schneiderarbeiten seine Beschreibung heranzehen konnte.

Den speziellen Dialekt, der sich einst zum Teil erheblich von dem der Nachbargemeinden unterschied, betrachtete Provo regelrecht als einen eigenständigen Sprachzweig. Über die Altriper Kirchweih und frühere Dorftypen schrieb er ebenso wie über die landschaftliche Schönheit der Region.

Mit 65 Jahren hatte Provo seine schöpferischste Lebensphase. Etliche seiner Werke erschienen als Buch. In Leipzig wurde von ihm 1910 beispielsweise das Bändchen „Allerlei über die Liebe" verlegt. In seinem Buch „Die Musik als Sprache" machte er keinen Hehl daraus, dass ihm Menschen ein Gräuel waren, denen das Unterscheidungsvermögen zwischen Geräusch und Musik fehlt.

In Altrip stellte er 1910 die Weichen zum Bau des Reginodenkmals, um den Verfasser der ältesten deutschen Weltgeschichte der Vergessenheit zu entreißen. Die Kenntnis über den berühmtesten Sohn der Rheingemeinde war bis dahin im Ort nicht präsent. Als das Denkmal 1911 eingeweiht wurde, hielt Provo die Festrede, die in einer kleinen Schrift noch heute nachlesbar ist. Der umtriebige Mann widmete sich vielen Themen. So philosophierte er schon 1898 in einer Broschüre über „Mensch und Hund" zur Tierseelenfrage. 1917 nahm er mit „Sozialdemokratie und Mittelstand" zu kriegspolitischen Zielen Stellung.

Provo wechselte häufiger seinen Wohnort. Doch in Heidelberg, Schwetzingen und Altrip fühlte er sich am wohlsten. Sein Faible für Schwetzingen bewies er auch am 4. August 1870, als er mit der damals gerade eröffneten Rheintalbahn von Mannheim aus in die Spargelstadt fuhr - just an jenem Tage, als der preußische Kronprinz und spätere deutsche Kaiser Friedrich III. mit 152. 000 Mann die Grenze bei Weißenburg überschritt.

Auf zwei Dinge aus seinem Besitz war er besonders stolz: Auf seinen Chapeau claque - ein Klappzylinder - und auf eine 1781 in Mannheim erschienene Reisebeschreibung des Heinrich Zimmermann, der den Weltumsegler James Cook begleitet hatte. Provo war finanziell unabhängig. Sein Vater hatte zusammen mit weiteren „Honorablen" aus Altrip jene Insel erworben, die durch die Tulla"sche Rheinregulierung rechtsrheinisch wurde. Dieser Besitz erwies sich bald als Goldgrube: Er wurde zum Bau der Rheinauer Häfen benötigt. Und so kam Hermann Provo zu einem ansehnlichen Vermögen.

Doch all das ändert nichts daran, dass Altrip erst 369 nach Christus von Kaiser Valentinian I. erwähnt wird. Das mussten am Ende auch die Oberhäupter der Gemeinde akzeptieren: Drusus verschwand in der Abstellkammer. 

(Quelle:  Wolfgang Schneider | 2010)
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