Nachrichtenblatt der Gemeinde Altrip | Donnerstag, den 21. Januar 1965 | 6 Jahrgang - Nummer 3
Burgunder beim Kaiser Valentinian in Altrip
Es ist merkwürdig, daß bei der Beschreibung der Geschichte unserer Heimat das Problem des Wirkens römischer Kaiser in der Pfalz wenig beachtet wurde, obwohl wir zum Beispiel für den Kaiser Valentinian von nicht weniger als drei antiken Schriftstellern sichere Nachricht haben. Von einem denkwürdigen Ereignis soll im folgenden berichtet werden.
Da der Limes verlorengegangen und die Alemannen 365 und 366 über den Rhein bis nach Metz vorgedrungen waren, stellte sich dem Kaiser Valentinian bei seinem Regierungsantritt die Aufgabe, eine Sicherung zumindest der Rheingrenze zu schaffen. Er befaßte sich persönlich sehr eingehend mit dieser ihm als Lebensaufgabe erscheinenden Angelegenheit, ja, er legte selbst Hand an die Pläne.
Schon 367 erläßt er die "custodia Rheni". Im Jahr 368/69 in Trier muß er die Grundkonzeption des Befestigungssystems beendet haben, denn erst im April-Anfang Mai verläßt er die Stadt. Sein Plan sah vor, Grenzbefestigungen vom Rhein bis nach Ratien anzulegen und bei Calais die Überfahrt nach Britannien zu sichern.
Hinzu sollte eine Verstärkung der vorhandenen Kastelle und Wachtürme kommen. Daß er dabei den Schutz der gebräuchlichen Flußübergänge ins Auge faßte, hat sein Verteidigungssystem wirksamer gemacht als das frühere. Es hielt mehr als 40 Jahre stand und der Schriftsteller Zosimus berichtet, daß die linksrheinischen Städte neun Jahre (Valentinian regierte elf Jahre) von Überfällen bewahrt blieben.
Valentinian befestigte in unserer näheren Gegend drei große Brückenkopfstellungen: Mainz - Wiesbaden, Altrip - Neckarau, Neubreisach und Altbreisach. Durch sie sperrte er die Zugänge besonders nach Trier und Metz - Paris und gewann die Möglichkeit, entlang den Tälern des Mains, Neckars u. der Dreisam offensiv gegen die Alemannen vorzugehen und defensiv sie am Überschreiten des Rheines zu hindern.
Im Juni 369 hält sich der Kaiser in Altrip auf. Das Kastell das er vorfand. baute er aus, denn es lag ihm daran, hier an der Neckarmündung einen Stützpunkt zu haben. Daß ein solcher wichtig war, zeigt seine Auseinandersetzung mit den Alemannen vom Jahr 368. Er hatte anscheinend in einem Vertrag sich festgelegt, auf dem jenseitigen Ufer keine Befestigungen anzulegen.
Der "mons Piri", der Heiligenberg bei Heidelberg, der die Rheinebene und das Neckartal beherrscht, konnte aber von Valentinian deshalb nicht aufgegeben werden. Er ließ die Bergspitze befestigen. Die Alemannen jedoch, nachdem sie sich bei dem Kaiser beschwert hatten und kein Gehör fanden, ließen sich das nicht gefallen und überfielen die dort arbeitenden Soldaten und machten sie nieder. So war der Kaiser gezwungen, sich auf Altrip zurückzuziehen, denn das Kastell Ladenburg bot keinen ausreichenden Schutz mehr. Er hat aber, wie neuere Ausgrabungen zeigen, die brauchbaren Steine nach Altrip zum Ausbau der Befestigungsanlage bringen lassen.
In diese Zeit fällt ein merkwürdiges Ereignis. Aus einer Rede, die uns der antike Geschichtsschreiber Symmachus, ein Grieche, überliefert hat, erfahren wir, daß eine Gesandtschaft der Burgunder zu Valentinian nach Altrip gekommen ist und ihn um Hilfe bat.
Die Burgunder nämlich waren die Nachbarn der Alemannen und sie lagen mit diesen in ständigem Streit um den Besitz der Salzquellen. Der Kaiser versprach Hilfe. Es ging aber der Winter vorbei. Briefe wurden zwischen Valentinian und den Burgundern gewechselt, bis sich die Burgunder bereit erklärten, als Bundesgenossen der Römer gegen die Alemannen zu kämpfen.
Im Frühjahr 370 erschienen nun die Burgunder am Rhein. Sie hatten erwartet, daß Valentinian sein Heer mit dem ihrigen vereinige. Die antiken Schriftsteller berichten uns darüber, daß Valentinian sehr erschrocken sei, als er 80 000 Burgunder versammelt sah.
Er war nun in einer großen Verlegenheit. Was sollte er tun? Wenn er mit seinen wenigen Soldaten anrückt, besteht die Gefahr, daß die Burgunder seine wahre Stärke erkennen und sich nach Besiegung der Alemannen gegen ihn wenden. Wenn er aber mit seinem Heer ausbleibt und die Waffenhilfe verweigert, dann ist das für ihn ebenfalls gefährlich.
Darüber hinaus ergab sich die Gefahr, daß für ihn eine ständige Bedrohung dann besteht, wenn an Stelle der uneinigen Alemannen das Volk der Burgunder dieses neue Gebiet bewohnt. Denn er hat gesehen, daß sie in kürzester Frist ohne große Anstrengung eine beachtliche Streitmacht zur Verfügung haben. So mußte mit Diplomatie dieses Problem gelöst werden.
Der Kaiser vertrödelte die Zusammenziehung seines Heeres und wahrscheinlich durch falsche Parole ließ er die Burgunder wissen, daß die Alemannen versuchen, ihnen den Rückzug abzuschneiden. So waren die Burgunder gezwungen, wenn auch in hellem Zorn, den Heimweg anzutreten.
Es spricht für das diplomatische Geschick Valentinians, daß die Burgunder dennoch ihr Bündnis nicht gelöst haben, sondern sich weiterhin als „Foederati" betrachteten. Auf der anderen Seite hat Valentinian aber auch erreicht, daß die Alemannen, denen nicht entgangen war, in welcher Gefahr sie sich befunden haben, bis zu seinem Tod wesentlich ruhiger verhielten.
Im Jahre 374 wurde sogar mit ihrem Anführer Macrian Frieden und Bündnis geschlossen. Leider haben sich keine Bildwerke gefunden, die dieses Ereignis festgehalten haben und es sind auch keine Münzen aus diesem Anlaß geprägt worden, so daß wir nicht sagen können wer diese Leute im einzelnen waren und wie sie ausgesehen haben. Aber es ist wert, dieses Ereignis zu kennen und weiterzugeben.