Der 1. Mai in Altrip

Eigentlich hätte er sich freuen können, der Altriper Arbeiterführer Michael Kirsch, der seit 1891 in der Rheingemeinde für einen Maifeiertag und den Acht-Stunden-Tag eintrat, als der französische Ortskommandant verfügte, dass der 1. Mai 1919 ein Feiertag sei. Doch der Aushang an der Kommandantur erfolgte erst am 30. April spätabends und kaum jemand nahm somit rechtzeitig Notiz davon. Außerdem arbeiteten zwei Drittel der Altriper rechtsrheinisch, wo der Arm der Franzosen ohnehin nicht hinreichte.

Plakat des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aus dem Jahr 1956.Plakat des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aus dem Jahr 1956.Und so kam es, dass nur die Lehrer, die neben der französischen Wache unterrichteten, von der Maifeier Kenntis nahmen. Die Arbeiter in den Ziegeleien und in den landwirtschaftlichen Gütern gingen an jenem Tag, wie gewohnt, ihrer Arbeit nach. Michael Kirsch, der schon 1907 einen Maiumzug durch die Ortsstraßen mit Arbeiter-Sängerbund, Ring- und Stemmclub, Gewerkschaftern und Sozialdemokraten organisiert hatte, der damals allerdings vom Bezirks- am (Landratsamt) Ludwigshafen aus „verkehrs- und ordnungspolitischen Gründen” verboten wurde, raufte sich die Haare.

Doch er hoffte zuversichtlich, dass die Weimarer Reichsregierung den 1. Mai zum Feiertag erklären würde und so demonstrierte er in den 1920er Jahren an der Spitze von Straßenumzügen kräftig weiter. Doch seine Hoffnungen wurden enttäuscht. Erst die Nationalsozialisten erhoben den 1. Mai ab 1933 zum „Nationalen Tag der Arbeit”. Ebenfalls mit Umzügen. Doch auf so einen Feiertag hätte der Milchhändler, der „Kersche-Michel” liebend gerne verzichtet.

Am „Tag der Arbeit” marschierten 1934 der in Altrip stationierte Arbeitsdienst sowie die Parteimitglieder nebst Untergliederungen in Uniform durch die Ortsstraßen und 1939 beteiligte sich beim Altriper Umzug gar die gesamte Gefolgschaft des Landratsamts aus Ludwigshafen. Anschließend hörten die Formationen auf dem Messplatz die Führeransprache aus einem Lautsprecherwagen und sangen zum Schluss das Horst-Wessel-Lied.

1945 verfügten die Sieger, in diesem Falle die Amerikaner: „Der 1. Mai ist kein gesetzlicher Feiertag.” Doch ein Jahr später wurde der internationale Arbeiterkampftag hierzulande ein allgemeiner Feiertag, und mit großer Beteiligung aus der Altriper Bevölkerung setzte sich 1946 wieder ein Mai-Demonstrationszug in Bewegung. Viele Jahre hernach fanden im Waldpark Kundgebungen statt und das DGB-Ortskartell veranstaltete am 30. April jeweils einen „Tanz in den Mai”. Noch Tage danach trugen in jenen Jahren viele Altriper eine rote Nelke am Revers.

(W. Schneider | 2004)
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