Komplizierte Bergung

Der 5. Januar 1948 war für die Altriper Arbeitergemeinde ein großer Tag, denn die alte Fähre aus dem Jahr 1909 nahm wieder ihren Betrieb auf.

Im März 1945 hatte eine Pioniereinheit der Deutschen Wehrmacht die Gierseilfähre versenkt, um den weiteren Vormarsch der Amerikaner zu behindern. Niemand im Dorf wusste, wo die Fähre genau lag. Zwei Drittel der Altriper Arbeitnehmer arbeiteten damals in Mannheimer Betrieben und mussten deshalb nach dem Krieg zunächst, ausgestattet mit „Brückenpässen“, über Ludwigshafen pendeln. Möglich war dies ohnehin erst, nachdem die Kilometerbeschränkung, in deren Radius sich die Bewohner bewegen durften, aufgehoben worden war.

Die Rheinfähre bringt Pendler von Altrip nach Mannheim und zurück. Die Rheinfähre bringt Pendler von Altrip nach Mannheim und zurück. Oft zu Fuß, und nur ausnahmsweise mit dem Fahrrad, nahmen die Altriper den beschwerlichen Weg auf sich. Erst 1946 ließ die französische Besatzungsbehörde einen Motorbootverkehr bei einem strengen Grenzregime zu. Auf beiden Rheinseiten der „Zonengrenze“ fanden Kontrollen der Franzosen beziehungsweise der Amerikaner statt. Nachdem das Boot aber schon bald ausfiel, musste ein großer Ruderkahn Fußgänger und Radfahrer übersetzen.

Im Dürresommer 1947 konnte durch den niedrigen Wasserstand die Altriper Fähre im Schifffahrtsgraben geortet werden. Eine Bergung gelang jedoch zunächst nicht. Bürgermeister Adam Jacob war es zu verdanken, dass die im Luitpoldhafen in Ludwigshafen liegende Leimersheimer Gierfähre nach Altrip geholt werden konnte. Da jedoch nahezu täglich mit einem Abruf der Leihfähre gerechnet werden musste, wurde gegen Jahresende 1947 bei niedrigem Wasserstand erneut ein Versuch zur Bergung der Altriper Fähre unternommen.

Dies gelang der Firma Karl Kief aus Ludwigshafen - in sechswöchiger Schwerstarbeit. Die Fähre war rund 80 Zentimeter dick mit Rheinschlick überzogen, das Schiffsoberdeck mit seinen Maschinenteilen war abgerissen, aber - mit Ausnahme einiger Sprenglöcher - noch gut erhalten. Die Altriper Schmiede Baumann übernahmen trotz größerer Hemmnisse in der Materialbeschaffung die Reparaturarbeiten. Neben dem eigentlichen Fährschiff war die Reparatur und Montage von zunächst acht so genannten Buchtnachen an dem rund 400 Meter langen Drahtseil notwendig. Diese Buchtnachen waren geschlossene eiserne Nachen, die das Fährseil über die Wasseroberfläche hielten und zusammen mit dem Schiff durch Kurbelbewegung in eine Schrägstellung gedreht wurden. Durch die Kraft der Strömung wurde sodann die Gierseilfähre zum gegenüberliegenden Ufer gedrückt. Beim Anlegen auf badischer Seite wurde jedoch der Schifffahrtsgraben vollkommen versperrt, weshalb bei herannahenden Schiffen die Fähre schnell wieder „ablegen“ musste.

Trotzdem: Altrip war nun nicht mehr von seinem „Lebensnerv“ abgeschnitten, sondern konnte wieder zuversichtlich in die Zukunft schauen. Und wie im Nibelungenlied, so hallte es wieder über den Rhein: „Hol mich über, Fährmann!“

(W. Schneider | 2008)
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